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Schwerin: Hick-Hack um Radentscheid geht weiter

An sich war es schon im Vor­feld des gestri­gen Tages abse­hbar, dass das Innen­min­is­teri­um von Meck­len­burg-Vor­pom­mern den Bürg­er­entscheid zum Radentscheid in der Lan­deshaupt­stadt als rechtswidrig ein­stufen würde. Wir berichteten bere­its

  • Veröffentlicht Mai 19, 2021
6.325 Unter­schriften sam­melte die Ini­tia­tive „Radentscheid Schw­erin”. | Foto: Kon­rad Krön­er

An sich war es schon im Vor­feld des gestri­gen Tages abse­hbar, dass das Innen­min­is­teri­um von Meck­len­burg-Vor­pom­mern den Bürg­er­entscheid zum Radentscheid in der Lan­deshaupt­stadt als rechtswidrig ein­stufen würde. Wir berichteten bere­its gestern darüber. Auch hat­te sich bere­its gezeigt, dass die Sprech­er der entsprechen­den Ini­tia­tive dies wed­er nachvol­lziehen wollen noch wür­den. Mit ein­er Kri­tik, die zulet­zt doch dur­chaus in einen wenig kon­struk­tiv­en, teils belei­digt wirk­enden Bere­ich abdriftete, hat­ten sie auf die bevorste­hende Entschei­dung reagiert. Dabei schien – und scheint (?) – die Rolle der Stadtver­wal­tung in dieser The­matik zunehmend zen­traler und frag­würdi­ger.

 

Innenministerium beanstandet Beschlüsse zum Radentscheid Schwerin

Die Ampel für den Bürg­er­entscheid in Schw­erin schal­tet nun wohl doch noch auf rot | Foto: pri­vat

Seit gestern früh nun ist es offiziell. In ein­er Pressemit­teilung des als Recht­sauf­sicht zuständi­gen Innen­min­is­teri­ums in Schw­erin heißt es: „Das Innen­min­is­teri­um hat­te bere­its im Vor­feld rechtliche Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, dass dieses Bürg­er­begehren nach Auf­fas­sung des Min­is­teri­ums rechtswidrig ist sowohl in Bezug auf die fehlende Bes­timmtheit als auch mit Blick auf den städtis­chen Haushalt, der keine Freiräume für eine Finanzierung des Vorhabens und der damit ver­bun­de­nen Fol­gekosten zulässt. Aus diesem Grund hat das Innen­min­is­teri­um als Recht­sauf­sichts­be­hörde die gefassten Beschlüsse zum Radentscheid Schw­erin bean­standet”. Grund­sät­zlich unter­stütze man eine Bürg­er­beteili­gung ger­ade auch auf kom­mu­naler Ebene als „Kern­stück der Demokratie”. Allerd­ings, dies ste­ht so nicht in der Erk­lärung, sollte aber selb­stver­ständlich sein, gel­ten grund­sät­zlich Regeln. Auch für einen Bürg­er­entscheid zum Rad­verkehr. So nachvol­lziehbar auch dessen Ziele, und so emo­tion­al die Sache The­matik auch für die Organ­isatoren sein mag.

 

Initiatoren reagieren erneut recht emotional

Ger­ade auch die Emo­tion­al­ität war bere­its in einem offe­nen Brief der bei­den Sprech­er der Ini­tia­tive, Madleen Krön­er und Uwe Friedriszik, deut­lich gewor­den. Schon da klang über die ver­meintlich nicht mehr abzuwen­dende rechtliche Bean­stan­dung eine Mis­chung aus Ent­täuschung, Frust und Belei­digt­sein her­aus. Das hat sich bis­lang schein­bar auch noch nicht geän­dert. Denn auch gestern hieß es in ein­er von Madleen Krön­er ver­bre­it­eten Erk­lärung: „Schon der Bürg­er­entscheid war ein Novum unter den Radentschei­den in Deutsch­land. Dass das Innen­min­is­teri­um den Beschluss ein­er Kom­mune hin­ter­her kassiert, ist eine neue Qual­ität.” Es werde von den Kri­tik­ern des Bürg­er­entschei­des ver­mit­telt, dass die rechtliche Grund­lage fehle.

 

Ministerium äußerte von Anfang an Bedenken

Let­ztlich geht es auch in Schw­erin ums Geld. | Foto: pri­vat

Eben hier irrt Madleen Krön­er, zumin­d­est bezo­gen auf das Innen­min­is­teri­um. Denn dieses hat von vorn here­in seine Bedenken geäußert, und dies bis zulet­zt auch getan. Ein Umstand, den Krön­er und Frid­eriszik noch kri­tisiert hat­ten. Das Min­is­teri­um hätte stetig auf den sel­ben Kri­tikpunk­ten behar­rt, hat­te es geheißen. Dass eventuell genau damit die beson­dere Brisanz eben dieser Punk­te unter­strichen wurde, kam so offen­bar in der Euphorie des opti­mal ver­laufend­en Bürg­er­begehrens nicht an. Vor allem aber irrt Krön­er, da das Innen­min­is­teri­um kein „Kri­tik­er” des konkreten Bürg­er­entschei­ds an sich war oder ist, son­dern rein sach­lich die Lage rechtlich beurteilte. Und dass man let­ztlich schnelle Schlüsse zog, zeigt Krön­er in ihrer gestri­gen Erk­lärung auch. „Der Auf­forderung, einen Absatz aus dem Begehren­s­text zu stre­ichen, hat der Radentscheid entsprochen.  Damit war der Ein­druck ent­standen, dass das Bürg­er­begehren damit zuläs­sig ist”. Ein defin­i­tiv ziem­lich fahrläs­siges Agieren in ein­er so wichti­gen Angele­gen­heit. 

 

Ministerium argumentiert nicht mit zu hohen Kosten, sondern mit Finanzlage der Stadt

In der Pressemit­teilung aus dem Innen­min­is­teri­um werde, so Krön­er, fast auss­chließlich mit zu hohen Kosten argu­men­tiert. Eben genau so argu­men­tiert das Min­is­teri­um aber nicht, erneut also eine nicht ganz kor­rek­te Wieder­gabe seit­ens der Sprecherin der Ini­tia­tive. Vielmehr stellt das Innen­min­is­teri­um in Schw­erin eine ungewisse Höhe an Mehraus­gaben der Ver­schul­dungssi­t­u­a­tion der Stadt gegenüber. „Es wäre nach Auf­fas­sung des Innen­min­is­teri­ums nicht ver­mit­tel­bar, dass die Lan­deshaupt­stadt ein­er­seits noch langfristig auf Kon­so­li­dierung­shil­fen des Lan­des angewiesen ist, gle­ichzeit­ig aber kred­it­fi­nanzierte Pro­jek­te vorantreibt, ohne an die Deck­ung der Fol­gekosten zu denken. Was die Stadt sich zusät­zlich leis­ten möchte, muss am Ende auch mit den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mit­teln bezahlt wer­den kön­nen”. Damit ist klar, gäbe es klare Aus­sagen zu tat­säch­lich anfal­l­en­den Kosten und entsprechend ein­deutig real­isier­bare Gegen­fi­nanzierun­gen, sähe die Sit­u­a­tion für das Min­is­teri­um wohl anders aus.

 

Eventuelle Förderungen sind keine Kompensationen

Hier meint Madleen Krön­er bere­its die Lösung gefun­den zu haben. „Zum einen ist belegt, dass es Fördergelder für Rad­wege­in­fra­struk­tur in nie gekan­nter Höhe gibt. Dazu kommt, dass die Förderquoten inzwis­chen höher sind als im Bürg­er­begehren angenom­men”. Genau dies ist aber keine real­is­tis­che Gegen­fi­nanzierung, son­dern eher eine vage Möglichkeit im Bere­ich des Kon­junk­tivs. Zudem bleiben Eigenan­teile der Stadt bei nahezu jed­er Förderung, so dass auch diese zu kom­pen­sieren wären.

 

Demokratie nach Haushaltslage?

Aber nach der Sitzung der Stadtvertre­tung und dem offe­nen Brief wäre Madleen Krön­er nicht sie selb­st, wenn sie, aus Emo­tion­al­ität, nicht auch ver­schiedene Dinge miteinan­der ver­mis­chen würde. „Im Gesetz ste­ht übri­gens nichts darüber, dass direk­te Demokratie nur nach den Maß­gaben der städtis­chen Haushalt­slage möglich ist”. Das stimmt, aber eben diese Ver­mis­chung nimmt auch nie­mand vor. Sie ist nur polemisch. Let­ztlich aber gibt es deut­lich mehr Regelun­gen, die zu beacht­en sind, als die weni­gen Zeilen, unmit­tel­bar zu einem Bürg­er­entscheid. Und auch die weit­eren Regeln gel­ten. Das dürften Madleen Krön­er und Uwe Frid­eriszik, der eben­falls in der gestri­gen Erk­lärung nochmals Stel­lung bezieht, auch wis­sen. Um so schwieriger, hier dann eine so polemis­che Ver­mis­chung vorzunehmen. 

 

Wer sprach denn nun nicht mit wem?

Immer wieder kam und kommt es in Schw­erin zu Ver­anstal­tun­gen für mehr Raum für Rad­fahrer. | Foto: Chang­ing Cities/Norbert Michalke Foto:

Span­nend wird es, und hier dürfte am Ende der sprich­wörtliche „Casus Knack­sus” liegen, bei der Frage der gegen­seit­i­gen Kom­mu­nika­tion. Denn aus dieser The­matik her­aus ist die aktuelle Prob­lematik let­ztlich ent­standen. Erneut unter­stre­icht Madleen Krön­er erst im offe­nen Brief und nun auch in der erneuten Erk­lärung: „Ein Gespräch mit der Bürg­erini­tia­tive wurde vom Innen­min­is­teri­um abgelehnt”. Zu diesem konkreten Vor­wurf sagt das Innen­min­is­teri­um in der gestri­gen Darstel­lung nichts. War es so, wäre es schon wenig kon­struk­tiv, wie man sich ver­hielt. Aber es unter­stre­icht nochmals einen anderen wichti­gen Punkt. „Ein Gespräch­sange­bot des Innen­min­is­teri­ums, um im Vor­feld der Entschei­dung gemein­sam unter Ein­beziehung der Bürg­erini­tia­tive das rechtliche Mach­bare auszu­loten, hat die Stadt nicht genutzt”.

 

Kein Gespräch zwischen Stadt und Ministerium

Und man muss sich im Min­is­teri­um sicher­lich auch die Frage gefall­en lassen, weshalb man in diesem konkreten Fall nicht wie son­st – so zumin­d­est der Schw­er­iner Haup­tamt­sleit­er Hart­mut Wol­len­teit gegenüber der SVZ – vor Beginn des Bürg­er­begehrens mit Unter­schriften­samm­lung mit der Stadt ins Gespräch kam. So habe das Min­is­teri­um in diesem Fall mit­geteilt, „irgend­wann seine Mei­n­ung schriftlich bekan­nt zu geben”. Daraus ließe sich dur­chaus ableit­en, was der Haup­tamt­sleit­er so allerd­ings nicht sagt, dass das Min­is­teri­um nicht sprechen wollte. Aber wenn dem so gewe­sen sein sollte, was kein gutes Licht auf das Min­is­teri­um wirft, war es, wie sich nun ein­drucksvoll zeigt, mehr als „mutig” von der Stadt, sich allein auf die eige­nen Experten zu ver­lassen. Und zu entschei­den, alles sei recht­ens, so dass die Unter­schriften­samm­lung starten kon­nte. Vielmehr hätte man vielle­icht auf ein­er Klärung im Vor­feld beste­hen müssen. Soviel Kraft und Durch­set­zungsver­mö­gen kann man der Stadtver­wal­tung Schw­erin an sich wohl schon zus­prechen.

 

Verwunderung des Hauptamtsleiters verwundert

Span­nend ist übri­gens auch der Umstand, dass sich Wol­len­teit grund­sät­zlich „sehr über die Ein­wände aus dem Min­is­teri­um” wun­dere. So schrieb es die SVZ. Das wiederum dürfte näm­lich Ken­ner der Schw­er­iner Kom­mu­nalpoli­tik in Erstaunen ver­set­zen. So stand – beispiel­sweise – noch auf der Tage­sor­d­nung der let­zten Stadtvertreter­sitzung ein Antrag eines Orts­beirats, der unter anderem auf Grund­lage ein­er Stel­lung­nahme der Rechtsabteilung (zuständig: Hart­mut Wol­len­teit) als „unzuläs­sig” bzw.-im Zweifel „abzulehnen” eingestuft wurde. Auch, weil eine Kos­ten­deck­ung fehle. Die übri­gens, wie es aus dem Orts­beirat selb­st hieß, nicht erforder­lich wäre, da keine Mehrkosten anfie­len. Dies aber nur am Rand. Dieses Beispiel aber zeigt, wie erstaunlich es doch eigentlich ist, dass ger­ade Hart­mut Wol­len­teit der­art ver­wun­dert über die Bew­er­tung des Min­is­teri­ums ist, das klar mit eben fehlen­den finanziellen Kom­pen­sa­tio­nen im Zusam­men­hang mit der finanziellen Gesamt­lage von Schw­erin argu­men­tiert. 

 

Liegt zentrale Verantwortung tatsächlich bei der Stadt?

Let­zten Endes geht es nun wirk­lich zu wie im Kinder­garten. Die Ini­tia­tive spielt zuweilen belei­digte Leber­wurst und argu­men­tiert – zumin­d­est teil­weise – entsprechend. Zudem zeigen alle gegen­seit­ig mit dem Fin­ger aufeinan­der, wobei bis­lang noch(!) die für Außen­ste­hende nachvol­lziehbarste Argu­men­ta­tion vom Land kommt. Der schon in unserem gestri­gen Artikel geäußerte Ein­druck, dass die Stadtver­wal­tung möglicher­weise eine rechtlich falsche Ein­schätzung des Textes zum Bürg­er­begehren vor­nahm, ohne Klarheit darüber mit dem Innen­min­is­teri­um herzustellen, mag nicht schwinden. Das allerd­ings kön­nte der Ver­wal­tung dur­chaus auf die Füße fall­en. Ob mit oder ohne Kon­se­quen­zen, bliebe abzuwarten.

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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