Schwerin: Hick-Hack um Radentscheid geht weiter
An sich war es schon im Vorfeld des gestrigen Tages absehbar, dass das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern den Bürgerentscheid zum Radentscheid in der Landeshauptstadt als rechtswidrig einstufen würde. Wir berichteten bereits
An sich war es schon im Vorfeld des gestrigen Tages absehbar, dass das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern den Bürgerentscheid zum Radentscheid in der Landeshauptstadt als rechtswidrig einstufen würde. Wir berichteten bereits gestern darüber. Auch hatte sich bereits gezeigt, dass die Sprecher der entsprechenden Initiative dies weder nachvollziehen wollen noch würden. Mit einer Kritik, die zuletzt doch durchaus in einen wenig konstruktiven, teils beleidigt wirkenden Bereich abdriftete, hatten sie auf die bevorstehende Entscheidung reagiert. Dabei schien – und scheint (?) – die Rolle der Stadtverwaltung in dieser Thematik zunehmend zentraler und fragwürdiger.
Innenministerium beanstandet Beschlüsse zum Radentscheid Schwerin
Seit gestern früh nun ist es offiziell. In einer Pressemitteilung des als Rechtsaufsicht zuständigen Innenministeriums in Schwerin heißt es: „Das Innenministerium hatte bereits im Vorfeld rechtliche Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, dass dieses Bürgerbegehren nach Auffassung des Ministeriums rechtswidrig ist sowohl in Bezug auf die fehlende Bestimmtheit als auch mit Blick auf den städtischen Haushalt, der keine Freiräume für eine Finanzierung des Vorhabens und der damit verbundenen Folgekosten zulässt. Aus diesem Grund hat das Innenministerium als Rechtsaufsichtsbehörde die gefassten Beschlüsse zum Radentscheid Schwerin beanstandet“. Grundsätzlich unterstütze man eine Bürgerbeteiligung gerade auch auf kommunaler Ebene als „Kernstück der Demokratie“. Allerdings, dies steht so nicht in der Erklärung, sollte aber selbstverständlich sein, gelten grundsätzlich Regeln. Auch für einen Bürgerentscheid zum Radverkehr. So nachvollziehbar auch dessen Ziele, und so emotional die Sache Thematik auch für die Organisatoren sein mag.
Initiatoren reagieren erneut recht emotional
Gerade auch die Emotionalität war bereits in einem offenen Brief der beiden Sprecher der Initiative, Madleen Kröner und Uwe Friedriszik, deutlich geworden. Schon da klang über die vermeintlich nicht mehr abzuwendende rechtliche Beanstandung eine Mischung aus Enttäuschung, Frust und Beleidigtsein heraus. Das hat sich bislang scheinbar auch noch nicht geändert. Denn auch gestern hieß es in einer von Madleen Kröner verbreiteten Erklärung: „Schon der Bürgerentscheid war ein Novum unter den Radentscheiden in Deutschland. Dass das Innenministerium den Beschluss einer Kommune hinterher kassiert, ist eine neue Qualität.“ Es werde von den Kritikern des Bürgerentscheides vermittelt, dass die rechtliche Grundlage fehle.
Ministerium äußerte von Anfang an Bedenken
Eben hier irrt Madleen Kröner, zumindest bezogen auf das Innenministerium. Denn dieses hat von vorn herein seine Bedenken geäußert, und dies bis zuletzt auch getan. Ein Umstand, den Kröner und Frideriszik noch kritisiert hatten. Das Ministerium hätte stetig auf den selben Kritikpunkten beharrt, hatte es geheißen. Dass eventuell genau damit die besondere Brisanz eben dieser Punkte unterstrichen wurde, kam so offenbar in der Euphorie des optimal verlaufenden Bürgerbegehrens nicht an. Vor allem aber irrt Kröner, da das Innenministerium kein „Kritiker“ des konkreten Bürgerentscheids an sich war oder ist, sondern rein sachlich die Lage rechtlich beurteilte. Und dass man letztlich schnelle Schlüsse zog, zeigt Kröner in ihrer gestrigen Erklärung auch. „Der Aufforderung, einen Absatz aus dem Begehrenstext zu streichen, hat der Radentscheid entsprochen. Damit war der Eindruck entstanden, dass das Bürgerbegehren damit zulässig ist“. Ein definitiv ziemlich fahrlässiges Agieren in einer so wichtigen Angelegenheit.
Ministerium argumentiert nicht mit zu hohen Kosten, sondern mit Finanzlage der Stadt
In der Pressemitteilung aus dem Innenministerium werde, so Kröner, fast ausschließlich mit zu hohen Kosten argumentiert. Eben genau so argumentiert das Ministerium aber nicht, erneut also eine nicht ganz korrekte Wiedergabe seitens der Sprecherin der Initiative. Vielmehr stellt das Innenministerium in Schwerin eine ungewisse Höhe an Mehrausgaben der Verschuldungssituation der Stadt gegenüber. „Es wäre nach Auffassung des Innenministeriums nicht vermittelbar, dass die Landeshauptstadt einerseits noch langfristig auf Konsolidierungshilfen des Landes angewiesen ist, gleichzeitig aber kreditfinanzierte Projekte vorantreibt, ohne an die Deckung der Folgekosten zu denken. Was die Stadt sich zusätzlich leisten möchte, muss am Ende auch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bezahlt werden können“. Damit ist klar, gäbe es klare Aussagen zu tatsächlich anfallenden Kosten und entsprechend eindeutig realisierbare Gegenfinanzierungen, sähe die Situation für das Ministerium wohl anders aus.
Eventuelle Förderungen sind keine Kompensationen
Hier meint Madleen Kröner bereits die Lösung gefunden zu haben. „Zum einen ist belegt, dass es Fördergelder für Radwegeinfrastruktur in nie gekannter Höhe gibt. Dazu kommt, dass die Förderquoten inzwischen höher sind als im Bürgerbegehren angenommen“. Genau dies ist aber keine realistische Gegenfinanzierung, sondern eher eine vage Möglichkeit im Bereich des Konjunktivs. Zudem bleiben Eigenanteile der Stadt bei nahezu jeder Förderung, so dass auch diese zu kompensieren wären.
Demokratie nach Haushaltslage?
Aber nach der Sitzung der Stadtvertretung und dem offenen Brief wäre Madleen Kröner nicht sie selbst, wenn sie, aus Emotionalität, nicht auch verschiedene Dinge miteinander vermischen würde. „Im Gesetz steht übrigens nichts darüber, dass direkte Demokratie nur nach den Maßgaben der städtischen Haushaltslage möglich ist“. Das stimmt, aber eben diese Vermischung nimmt auch niemand vor. Sie ist nur polemisch. Letztlich aber gibt es deutlich mehr Regelungen, die zu beachten sind, als die wenigen Zeilen, unmittelbar zu einem Bürgerentscheid. Und auch die weiteren Regeln gelten. Das dürften Madleen Kröner und Uwe Frideriszik, der ebenfalls in der gestrigen Erklärung nochmals Stellung bezieht, auch wissen. Um so schwieriger, hier dann eine so polemische Vermischung vorzunehmen.
Wer sprach denn nun nicht mit wem?
Spannend wird es, und hier dürfte am Ende der sprichwörtliche „Casus Knacksus“ liegen, bei der Frage der gegenseitigen Kommunikation. Denn aus dieser Thematik heraus ist die aktuelle Problematik letztlich entstanden. Erneut unterstreicht Madleen Kröner erst im offenen Brief und nun auch in der erneuten Erklärung: „Ein Gespräch mit der Bürgerinitiative wurde vom Innenministerium abgelehnt“. Zu diesem konkreten Vorwurf sagt das Innenministerium in der gestrigen Darstellung nichts. War es so, wäre es schon wenig konstruktiv, wie man sich verhielt. Aber es unterstreicht nochmals einen anderen wichtigen Punkt. „Ein Gesprächsangebot des Innenministeriums, um im Vorfeld der Entscheidung gemeinsam unter Einbeziehung der Bürgerinitiative das rechtliche Machbare auszuloten, hat die Stadt nicht genutzt“.
Kein Gespräch zwischen Stadt und Ministerium
Und man muss sich im Ministerium sicherlich auch die Frage gefallen lassen, weshalb man in diesem konkreten Fall nicht wie sonst – so zumindest der Schweriner Hauptamtsleiter Hartmut Wollenteit gegenüber der SVZ – vor Beginn des Bürgerbegehrens mit Unterschriftensammlung mit der Stadt ins Gespräch kam. So habe das Ministerium in diesem Fall mitgeteilt, „irgendwann seine Meinung schriftlich bekannt zu geben“. Daraus ließe sich durchaus ableiten, was der Hauptamtsleiter so allerdings nicht sagt, dass das Ministerium nicht sprechen wollte. Aber wenn dem so gewesen sein sollte, was kein gutes Licht auf das Ministerium wirft, war es, wie sich nun eindrucksvoll zeigt, mehr als „mutig“ von der Stadt, sich allein auf die eigenen Experten zu verlassen. Und zu entscheiden, alles sei rechtens, so dass die Unterschriftensammlung starten konnte. Vielmehr hätte man vielleicht auf einer Klärung im Vorfeld bestehen müssen. Soviel Kraft und Durchsetzungsvermögen kann man der Stadtverwaltung Schwerin an sich wohl schon zusprechen.
Verwunderung des Hauptamtsleiters verwundert
Spannend ist übrigens auch der Umstand, dass sich Wollenteit grundsätzlich „sehr über die Einwände aus dem Ministerium“ wundere. So schrieb es die SVZ. Das wiederum dürfte nämlich Kenner der Schweriner Kommunalpolitik in Erstaunen versetzen. So stand – beispielsweise – noch auf der Tagesordnung der letzten Stadtvertretersitzung ein Antrag eines Ortsbeirats, der unter anderem auf Grundlage einer Stellungnahme der Rechtsabteilung (zuständig: Hartmut Wollenteit) als „unzulässig“ bzw.-im Zweifel „abzulehnen“ eingestuft wurde. Auch, weil eine Kostendeckung fehle. Die übrigens, wie es aus dem Ortsbeirat selbst hieß, nicht erforderlich wäre, da keine Mehrkosten anfielen. Dies aber nur am Rand. Dieses Beispiel aber zeigt, wie erstaunlich es doch eigentlich ist, dass gerade Hartmut Wollenteit derart verwundert über die Bewertung des Ministeriums ist, das klar mit eben fehlenden finanziellen Kompensationen im Zusammenhang mit der finanziellen Gesamtlage von Schwerin argumentiert.
Liegt zentrale Verantwortung tatsächlich bei der Stadt?
Letzten Endes geht es nun wirklich zu wie im Kindergarten. Die Initiative spielt zuweilen beleidigte Leberwurst und argumentiert – zumindest teilweise – entsprechend. Zudem zeigen alle gegenseitig mit dem Finger aufeinander, wobei bislang noch(!) die für Außenstehende nachvollziehbarste Argumentation vom Land kommt. Der schon in unserem gestrigen Artikel geäußerte Eindruck, dass die Stadtverwaltung möglicherweise eine rechtlich falsche Einschätzung des Textes zum Bürgerbegehren vornahm, ohne Klarheit darüber mit dem Innenministerium herzustellen, mag nicht schwinden. Das allerdings könnte der Verwaltung durchaus auf die Füße fallen. Ob mit oder ohne Konsequenzen, bliebe abzuwarten.