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Schwerin: Majorel Servicecenter – bleibt es beim Aus zum Jahresende?

Die Hoff­nung auf den Erhalt von Arbeit­splätzen an den drei MV Stan­dorten der Majorel Ser­vice­cen­ter will Betrieb­sratsvor­sitzende Olaf Schlicht noch längst nicht aufgeben. „Für Ende Jan­u­ar und Anfang Feb­ru­ar sind

  • Veröffentlicht Januar 19, 2021
Auch in Schw­erin ste­ht das Majorel-Ser­vice­cen­ter vor der Schließung. | Foto: Sym­bol­bild

Die Hoff­nung auf den Erhalt von Arbeit­splätzen an den drei MV Stan­dorten der Majorel Ser­vice­cen­ter will Betrieb­sratsvor­sitzende Olaf Schlicht noch längst nicht aufgeben. „Für Ende Jan­u­ar und Anfang Feb­ru­ar sind weit­ere Gespräche mit der Geschäfts­führung geplant“ so der Arbeit­nehmervertreter in einem Inter­view mit schw­erin-lokal-Redak­teur Peter Scher­rer. „Gespräche mit der Poli­tik und auch  mit dem Wirtschaftsmin­is­teri­um gab es schon im Novem­ber und Dezem­ber“, so Olaf Schlicht . Auf allen Ebe­nen wollen er und seine Kol­le­gen daher um Unter­stützung für den Verbleib der Call- und Ser­vice­cen­ter kämpfen.

 

Vollkommen überraschend kündigte Majorel Schließung des Servicecenters auch in Schwerin an

Ohne Vor­war­nung traf die Beschäftigten der heimis­chen Majorel Call­cen­ter am 3. Novem­ber 2020 der Schließungs­beschluss für die Stan­dorte in Schw­erin, Stral­sund und Neubran­den­burg. In der Lan­deshaupt­stadt, wo das Unternehmen in der Marien­platz Galerie seinen Sitz hat, fall­en dabei ca. 200 Stellen weg. In Stral­sund sind ca. 370, in Neubran­den­burg etwa 440 Beschäftigte vom geplanten Ende  betrof­fen. Neben den 1.000 Arbeit­splätzen, die in Meck­len­burg-Vor­pom­mern gestrichen wer­den, find­et sich auch der Stan­dort im säch­sis­chen Chem­nitz mit 400 Stellen auf der Stre­ich­liste wieder. Gemein­sam fordern die Betrieb­sräte der drei Stan­dorte in MV in ein­er Peti­tion die Geschäft­sleitung und den Ber­tels­mann Konz­ern auf, die Call­cen­ter zu erhal­ten. Der anfänglichen Ver­weigerung zu Ver­hand­lun­gen über den Fortbe­stand der Dien­stleis­tungs­cen­ter ist dabei nun die Gesprächs­bere­itschaft der Geschäfts­führung gewichen. Allerd­ings soll dabei offen­bar lediglich über die Kon­di­tio­nen und über einen Sozialplan mit den Betrieb­sräten gesprochen wer­den. 

 

Olaf Schlicht, Betrieb­sratsvor­sitzen­der Majorel Ser­vice­cen­ter. | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Geschäftsführung inzwischen gesprächsbereit – aber nur über Konditionen der Schließung nebst Sozialplan

In Schw­erin, Stral­sund und Neubran­den­burg arbeit­en Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er in der Kun­den­be­treu­ung von Tele­fo­nan­bi­etern und das Tele­bank­ing eben­so wie für Auskün­fte bei Ver­sicherun­gen oder Online­händlern. Sie sind im Kun­denkon­takt am Tele­fon, im Inter­net oder auch klas­sisch per Mail oder Brief für viele deutsche und inter­na­tionale Unternehmen engagiert tätig. Bei den deutschen Stan­dorten der Majorel Gruppe han­delt es sich zum Teil um ehe­ma­lige Nieder­las­sun­gen der Deutschen Telekom AG. Diese zählt auch heute noch zu den Kun­den.

Wer ist eigentlich Majorel? Majorel ent­stand im Jan­u­ar 2019 als Ber­tels­mann und das marokkanis­che Unternehmen Saham eine strate­gis­che Part­ner­schaft eingin­gen. Bei­de Part­ner hal­ten 50% der Anteile des Dien­stleis­tung­sun­ternehmens. Majorel vere­int die Cus­tomer Expe­ri­ence-Sparten von Ber­tels­mann und der Saham Group, darunter Arva­to CRM Solu­tions, Phone Group, ECCO Out­sourc­ing und Pio­neers Out­sourc­ing. Ziel sei es, einen jährlichen Umsatz von rund 1,2 Mil­liar­den Euro aufzubauen. Dazu beschäftigt Majorel 54.000 Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er in 29 Län­dern Europas, im mit­tleren Osten, in Afri­ka, Ameri­ka und Asien. Der Konz­ern bietet dabei weltweit Ser­viceleis­tun­gen in 36 Sprachen. 

 

Bertelsmann als Beteiligtes Unternehmen an Majorel ist vertraut mit Standortschließungen

Die Tren­nung von Stan­dorten durch Schließung, ist in der Ber­tels­mann Geschichte nicht wirk­lich etwas Neues. Die Nieder­las­sun­gen in Leipzig, Gera, Suhl und Dres­den wur­den bere­its geschlossen. Die Stan­dorte Magde­burg, Cot­tbus und Halle zudem an Cap­i­tal Europe verkauft. Die nun von der Schließung bedro­ht­en Stan­dorte erlebten bere­its im Novem­ber ver­gan­genen Jahres eine Aus­gliederung aus der Majorel Gruppe. Die Schließungskosten erscheinen damit nicht in der Majorel Bilanz. Zudem sind die Betrieb­sräte der Stan­dorte in Meck­len­burg-Vor­pom­mern damit nicht Teil der Betrieb­sratsstruk­turen des Ber­tels­mann Konz­erns. Betrieb­sver­fas­sungsrechtlich haben es die gewählten Vertreter der Beschäftigten damit nun deut­lich schw­er­er, ihre Inter­essen gegenüber dem Konz­ern gel­tend zu machen.

 

ver.di: Auftragslage absolut ausreichend

Auch die Dien­stleis­tungs­gew­erkschaft ver.di sieht die geplante Auf­gabe der Stan­dorte als Teil ein­er Konz­ern­strate­gie. Ber­tels­mann plane, die „Arbeit­en kün­ftig im Aus­land erledi­gen zu lassen“ hieß es in ein­er Stel­lung­nahme von ver.di Nord. „Jet­zt soll weit­eren 1.400 Kol­legin­nen und Kol­le­gen im Osten Deutsch­lands die Exis­ten­z­grund­lage genom­men wer­den, obwohl es die Auf­tragslage nicht hergibt. Von der Telekom hören wir, dass diese an Majorel ein jährlich­es Auf­tragsvol­u­men vergibt, das aus­re­icht, die ehe­ma­li­gen Telekombeschäftigten dort auszu­las­ten, auch für die Zukun­ft“, so Annett Enter, zuständi­ge Gew­erkschaftssekretärin in Schw­erin.

 

160 Menschen mit Handicaps direkt betroffen

Die drei Betrieb­sräte in MV fordern ein beson­deres sozial ver­ant­wortlich­es Ver­hal­ten vom Konz­ern. Auch, da „mehr als 160 Men­schen mit Hand­i­cap“ in den drei Städten Arbeit find­en. Sie wären mit beson­der­er Härte von ein­er Schließung betrof­fen. Eben­so weisen die Vertreter der Beschäftigten darauf hin, dass Majorel vie­len Quere­in­steigern und Men­schen ohne abgeschlossene Beruf­saus­bil­dung einen Arbeit­splatz bietet. Diese Beschäftigten­grup­pen dürften es schw­er haben, in unser­er Region im Arbeit­sleben Fuß zu fassen. Ger­ade auch während bzw. nach der Coro­na-Krise.

 

Was bleibt, ist die Hoffnung

Auf Anfrage von Schw­erin-Lokal äußerte sich der wirtschaft­spoli­tis­che Sprech­er der SPD Land­tags­frak­tion Jochen Schulte opti­mistisch. Weil es weit­er­hin Stel­lenauss­chrei­bun­gen gibt, wenn auch befris­tet, „…sehen wir dur­chaus gute Möglichkeit­en, für die betrof­fe­nen Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er in Schw­erin, Neubran­den­burg, Chem­nitz und Stral­sund tragfähige Zukun­ftsper­spek­tiv­en mit Majorel zu ver­han­deln“, so Schulte. „Wir wer­den seit­ens der Land­tags­frak­tion ver­stärkt Gespräche mit der Gew­erkschaft und der SPD-Bun­destags­frak­tion führen und auch an die Bun­deskan­z­lerin her­antreten. Vielle­icht find­en sich noch Chan­cen ein­er Ret­tung”. Während viele Wirtschafts­bere­iche unter der Coro­na Pan­demie lei­den, gäbe es es für die Geschäfts­felder der Majorel-Gruppe vielfältige Chan­cen, so der SPD Poli­tik­er, der den Konz­ern aber auch deut­lich kri­tisiert. „Wir hal­ten es […] für ein fatales Sig­nal an die Men­schen in Ost­deutsch­land; da nur Stan­dorte im Osten geschlossen wer­den”.  
Der Vor­sitzende des Wirtschaft­sauss­chuss­es des Land­tages, Diet­mar Eifler (CDU) hat auf die tele­fonis­che und schriftliche Anfrage unseres Redak­teurs lei­der nicht geant­wortet.

„Integrität und ethis­ches Ver­hal­ten sind das Herzstück unseres Code of Con­duct“, so heißt es auf der Home­page des Majorel Konz­erns. Für den Betrieb­srat Olaf Schlicht gilt hier wohl der lateinis­che Spruch: „Quo erat demon­stran­dum“ – zu deutsch: „Was zu beweisen war“.

Schw­erin-Lokal wird weit­er bericht­en. Denn wer weiß, vielle­icht find­et sich ja doch noch ein Weg, die Arbeit­splätze in Schw­erin und an den anderen Stan­dorten zu erhal­ten. Ganz ohne jeden Blick der Öffentlichkeit zumin­d­est wird es Majorel nicht gelin­gen, stil­lk­lammheim­lich Men­schen in die Arbeit­slosigkeit zu schick­en. 

 

Tipp:
Lesen Sie auch: Im Inter­view – Betrieb­sratsvor­sitzen­der Majorel Schw­erin Olaf Schlicht

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

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