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Schwerin: OB Badenschier meldet sich im Radentscheid zu Wort

Die Initiative „Radentscheid Schwerin“ mit ihren beiden Sprechern, das Innenministerium, der Schweriner Hauptamtsleiter Hartmut Wollenteit und die Fraktion der Unabhängigen Bürger (UB) haben in den vergangenen Tagen für eine wiederholte

  • Veröffentlicht Mai 20, 2021
Die Ampel für den Bürgerentscheid in Schwerin schaltet nun wohl doch noch auf rot | Foto: privat

Die Initiative „Radentscheid Schwerin“ mit ihren beiden Sprechern, das Innenministerium, der Schweriner Hauptamtsleiter Hartmut Wollenteit und die Fraktion der Unabhängigen Bürger (UB) haben in den vergangenen Tagen für eine wiederholte Berichterstattung zum offenbar aus Rechtsgründen seitens des Ministeriums nicht genehmigten Bürgerentscheids gesorgt. Zumindest beanstandete die Rechtsaufsichtsbehörde die entsprechenden Beschlüsse der Stadtvertretung zu der Thematik, in denen es um genau diese Thematik ging.

 

Oberbürgermeister mit überraschender Argumentation

Zuletzt meldete sich nun auch Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier in Schwerin zu Wort. Und er überraschte dabei so manchen ein wenig damit, dass er sich eine in der Sache richtig klingende aber auch fachlicher Sicht doch zumindest fragwürdige Argumentation seitens des Radentscheids zu eigen macht. Denn auch Badenschier verbreitet nun, über seine Pressestelle, den Satz „Direkte Demokratie darf nicht vom Geld abhängen“. Wie gesagt, in der Sache richtig. Allerdings gerade aus dem Mund des Oberbürgermeisters, der wie kein anderer zuvor mit Widersprüchen – speziell auch bei finanziellen Fragen – Beschlüsse der Stadtvertretung Schwerin zu kassieren versuchte, schon bemerkenswert. „In § 20 der Kommunalverfassung gibt es keinen Vorbehalt, dass direkte Demokratie nur nach den Maßgaben der städtischen Finanzwirtschaft stattfinden kann“, argumentiert Oberbürgermeister Badenschier hier. Und er legt noch nach. „Auch das Innenministerium sollte den Eindruck vermeiden, dass sich wirtschaftlich schwache Kommunen mit weniger demokratischer Teilhabe begnügen müssen, als besser ausgestattete Gemeinden.“ 

 

Niemand macht direkte Demokratie von Geld abhängig!

Stimmt. Aber selbstverständlich ist dem Oberbürgermeister nach knapp fünf Jahren im Amt bekannt, dass es noch ein paar weitere Regeln gibt, an die es sich zu halten, beziehungsweise die es einzuhalten gilt. Denn ansonsten wäre es spannend zu erleben, wie die Fraktionen in der Stadtvertretung zukünftig Anträge ohne jede Gegenfinanzierung einbringen, und diese mit dem Satz „Parlamentarische Demokratie darf nicht vom Geld abhängen“ begründen. 

 

OB nutzte wiederholt Widersprüche um Umsetzung demokratischer Entscheidungen zu stoppen

Und die beeindruckende Argumentation des Oberbürgermeisters setzt sich fort. So blockte Badenschier bislang wiederholt verschiedenste Themen der Stadtvertretung – letztlich auch der ihn stützenden SPD-Fraktion – aufgrund der Haushaltslage und seines persönlichen 10-Jahres-Plans zur Entschuldung der Stadt mittels Widersprüchen ab. Sicherlich in den meisten Fällen, weil ihn die Kommunalverfassung dazu zwang. Häufiger als wohl alle seine Vorgängerinnen und Vorgänger nutzte er dieses Mittel, um die in der Stadtvertretung Schwerin demokratisch zustande gekommenen Beschlüsse mit finanzpolitischen Begründungen möglichst rasch wieder zu kassieren. 

 

Wäre OB wirklich bereit, über Haushaltsprioritäten neu nachzudenken?

Beim Radentscheid allerdings kippt des Oberbürgermeisters kämpferische Verweigerungshaltung zu finanzpolitischen Veränderungen plötzlich. „Natürlich dürfen die als Bürgerbegehren vorgetragenen Anliegen den städtischen Finanzrahmen nicht sprengen. Jedoch begründen erfolgreiche Bürgervoten ja gerade die Notwendigkeit, über die im städtischen Haushalt festgelegten Prioritäten neu nachzudenken und diese im Sinne des Entscheids möglicherweise auch neu zu bewerten“. Ist der Entscheid allerdings erfolgreich, das kommt aus dieser Aussage weniger heraus, geht es nicht um Nachdenken und eventuelles Neubewerten. Dann ist die Stadt in der Pflicht. Vielleicht sollte Rico Badenschier vor diesem Hintergrund selbst erste eigene „Heilige Kühe“ der von ihm verantworteten Ausgabenpolitik in die Waagschale legen, um Worten auch unmittelbar Taten folgen zu lassen? 

 

Das Eis der Argumentation scheint nicht sehr dick

Rico Badenschier begibt sich hier auf durchaus ziemlich dünnes Eis. Wenn eine enttäuschte Initiative Finanzpolitik und Demokratie miteinander vermengt, wirkt das zwar etwas beleidigt, ist aber absolut nachvollziehbar. Lange hat man für etwas gekämpft, nun soll es – an allerdings wiederholt vom Ministerium geäußerten Bedenken – zuletzt doch noch scheitern. Aber von einem Oberbürgermeister, der gerade in finanzpolitischen Fragen auch vor widerholten Widersprüchen und wiederholten Ablehnungsvoten für Anträge in der Stadtvertretung nicht zurückschreckt, kann man doch weniger Emotionalität und mehr Sachlichkeit erwarten. 

 

Richtig ist: Ministerium bat offenbar zu spät Gespräche an

Richtig ist sicherlich, dass ein Gesprächsangebot seitens des Ministeriums erst nach erfolgreicher Unterschriftensammlung schon ziemlich spät kam. Zu spät! Und wäre das Ministerium schon zumindest in einer moralischen Pflicht, dies der Öffentlichkeit zu erläutern. Allerdings müsste der Oberbürgermeister auch erklären, warum man dieses Angebot ablehnte, als es noch möglich gewesen wäre, das Schlimmste zu verhindern, und vielmehr auf seiner eigenen Rechtsauffassung starr beharrte. Auch hätte die Stadtverwaltung Schwerin mit Sicherheit durchaus auf einem Gespräch schon im Vorfeld des Bürgerbegehrens bestehen, und dies mit Nachdruck einfordern können. Wird man nicht eingeladen, lädt man sich halt ein. Es ist zumindest schwer vorstellbar, dass man sich in der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde verweigert hätte, wenn eine Kommune entsprechenden Gesprächsbedarf mit Nachdruck anmeldet.

 

Bewusst Blick auf Stadt verhindern?

Die Stadt aber, und dazu verliert OB Badenschier momentan zumindest kein Wort, hat ohne jede weitere Rücksprache mit dem Innenministerium eigenmächtig entschieden, dass alles rechtens ist, und der Initiative „Radentscheid Schwerin“ somit eine trügerische Sicherheit vermittelt. Daher ist nachvollziehbar, dass der Oberbürgermeister nun auch mit einer zumindest fragwürdigen Demokratie-Argumentation die Scheinwerfer auf das Arsenal richten will. Obwohl das Stadthaus und die dort offenbaren rechtlichen Fehlbeurteilungen weiterhin primär im Fokus stehen sollten.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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