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Schwerin: Reinigungskräfte raus dafür Beamtengehälter rauf

Es ist durchaus sicherlich keine neue Frage, die sich dieser Tage manchem Betrachter der Landespolitik stellen dürfte: „Für wen ist diese Landesregierung eigentlich da?“ Nein, es geht dieses Mal nicht

  • Veröffentlicht Mai 19, 2021
Den einen nimmt es der Staat, den anderen gibt er es. | Foto: Symbolbild

Es ist durchaus sicherlich keine neue Frage, die sich dieser Tage manchem Betrachter der Landespolitik stellen dürfte: „Für wen ist diese Landesregierung eigentlich da?“ Nein, es geht dieses Mal nicht um die Frage, welche Branche und welcher Bereich im Land früher oder später aus dem Lockdown kommen sollen. Oder auch, wie verantwortlich oder verantwortungslos schnell aufeinanderfolgende Öffnungsschritte in einer Pandemiesituation sind. Es geht überhaupt nicht um Corona. Vielmehr stehen zwei dicht aufeinander folgende Beschlüsse der Regierungsparteien um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im Fokus. 

 

Den Kleinen nehmen, den Bessergestellten geben

Denn man könnte den Eindruck gewinnen, dass die SPD-geführte Landesregierung in diesen Tagen denen, die ohnehin wenig haben, noch mehr wegnimmt, um es denen, die bereits gut bezahlt sind, noch obendrauf zu legen. Was aber war oder ist konkret geschehen? 

 

Landesregierung gefährdet wissentlich Jobs in Gebäudereinigungs-Branche

„Was wie ein verspäteter Aprilscherz klingt, meint die Ministerpräsidentin offenbar ernst. Bis zu 1,2 Millionen Euro will die Schweriner Landesregierung nach Medienberichten einsparen, indem Beamtinnen und Beamte in den Ministerien und Landesbehörden künftig verstärkt selbst zum Staubsauger greifen“, beschreibt IG BAU-Regionalleiter André Grundmann spürbar verärgert die neue Situation. Ja, wer es noch nicht mitbekommen hat, liest hier richtig. In den Ministerien und Behörden des Landes sollen zukünftig die Mitarbeiter selbst den Feudel schwingen. Die Sparmaßnahmen gehen damit zu Lasten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gebäudereinigerbranche in MV. Einer Branche, die gerade auch in den vergangenen Monaten trotz Niedriglöhnen landesweit Großes leistete. Denn gerade auch in der Pandemie waren Sauberkeit und Hygiene allerorten noch wichtiger als sonst schon.

 

Ein Tritt für diejenigen, die in der Pandemie besonders hart arbeiten

Verärgerung und Empörung auch bei der IG BAU über die Entscheidung der Landesregierung in Schwerin. | Foto: IG BAU

Aber während die Politik verschiedenen Branchen zuklatschte – allerdings auch ohne Langzeitwirkungen – und andere auf andere Weise hervorhob, fiel nie ein Wort in Richtung der Gebäudereiniger. Derjenigen, die nicht nur einen körperlich anstrengenden Job ausüben, sondern in den vergangenen Wochen und Monaten einen großen Beitrag daran hatten, dass Räume hygienisch einwandfrei waren. Stattdessen greift die Politik aus Spargründen zu einem Schritt, den die Betroffenen vor den beschriebenen Hintergründen nur als Missachtung bezeichnen  können. Die Landesregierung reduziert Reinigungsverträge massiv und bringt somit Jobs im ohnehin zu schlecht bezahlten Bereich in Gefahr. Durch den Wegfall öffentlicher Reinigungsaufträge gefährde die Landesregierung aber nicht nur Arbeitsplätze in der Branche. Vielmehr setze sie auch die ohnehin niedrigen Löhne unter Druck. Nicht zum ersten Mal in der Pandemie dürften die Leidtragenden ausgerechnet die sein, die ohnehin wenig verdienen und sich im Job einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen, so die IG BAU. 

 

Nun müssen Staatsbedienstete putzen – außer im Bereich der Ministerpräsidentin

Dass man übrigens Manuela Schwesig in dieser Betrachtung auch nicht zu Gute halten kann, ist der Umstand, dass ihr unmittelbares Umfeld, also die Bediensteten in den Räumen der Landeschefin, nicht selbst zu Putz- und Staublappen sowie Feudel und Staubsauger greifen müssen. In diesen kommt auch weiterhin eine Fachfirma im bekannten Zyklus zum Einsatz. Nicht allerdings, weil Schwesig nicht hinter der Sparentscheidung zu Lasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Reinigungsfirmen stehen würde. Wäre dies der Fall, wäre es nie zu einer so fragwürdigen Entscheidung gekommen. Weshalb genau Manuela Schwesigs unmittelbares Umfeld – und letztlich auch die Regierungschefin selbst – nicht auch selbst zum Putzzeug greifen muss, blieb bislang unklar.

 

Was kostet verbeamtetes Putzen letztlich?

Auch hat bislang niemand eine Vollkostenrechnung vorgelegt. Denn auch beamte und Angestellte kosten während der nun staatlich verordneten Putzzeiten Geld. Auch sind die Materialien nicht kostenfrei. Es ist anzunehmen, dass eine solche Rechnung den Irrsinn der Entscheidung zutage führt. Denn sie dürfte deutlich höher ausfallen, als die bisherigen Ausgaben.

 

Kürzung beim Säubern dafür mehr Geld für Beamte und Angestellte

Die neue Schreibtischausstattung von Landesbediensteten? | Foto: Carola K.

Auf der anderen Seite, und spätestens das kann für die Leidtragenden der Gebäudereinigerbranche nur wie Hohn wirken, erhöht die Landesregierung mit Unterstützung der Regierungsfraktionen  von SPD und CDU im Landtag von MV mehr oder weniger zeitgleich die Gehälter für zahlreiche Beamte und Mitarbeiter. Während Reinigungskräfte aufgrund der Sparpolitik wegrationalisiert werden, steigen die Gehälter derjenigen, die nun selbst putzen sollen und durchweg über höhere Einkünfte verfügen, teilweise deutlich. Eine schwer nachvollziehbare Logik. Nicht allerdings für SPD-Finanzexperten Tilo Gundlack. Die Erhöhung sei laut ihm erforderlich, da das Land kluge Köpfe brauche, berichtete der NDR. Ein Mitglied der SPD schweigt also, wenn Menschen im Niedriglohnbereich durch Entscheidungen der Landesregierung in Gefahr geraten und rechtfertigt lautstark die Erhöhung der Einkommen deutlich besser bezahlter Beamter und Angestellter. 

 

Ein Zusammenhang mit fadestem Beigeschmack

Nun mag mancher sagen, diese verbindende Betrachtung beider Entscheidungen sei nicht statthaft. Doch, das ist sie. Und wie sie das ist. Gerade in diesen Tagen und gerade nach den vergangenen Monaten. Denn man sollte den Mitgliedern der Landesregierung sowie den Abgeordneten der Regierungsfraktionen von SPD und CDU soviel Durchsicht und Erinnerungsvermögen zusprechen können, dass sie sich an zwei zeitlich so dicht beieinander liegende Entscheidungen – letztlich waren es nur Stunden, teilweise Minuten – auch erinnern. Und letztlich spart das Land das Geld bei der Reinigung und gibt es denjenigen – zumindest vielen von ihnen – die nun selbst putzen sollen. Wenn das kein Zusammenhang ist…

Ob diese Politik der Verteilung letzten Endes die Zustimmung in der Bevölkerung findet, wird sich sicherlich erst im September zeigen. Dienlich allerdings dürfte sie vor allem der Politikverdrossenheit und dem Abwärtstrend des Ansehens der Politik sein.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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