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Schwerin: Stadt untersagt „Musikalischen Adventskalender mit Abstand“

Er schien eine kleine Erfolgsgeschichte zu sein in diesen Tagen in Schwerin: Der „Musikalische Adventskalender mit Abstand“. Die Musik- und Kunstschule ATARAXIA hatte ihn in Zusammenarbeit mit dem Säulengebäude am

  • Veröffentlicht Dezember 8, 2020
Der „Musikalische Adventskalender mit Abstand“ ist durch die Stadt Schwerin untersagt worden. | Foto: Säulengebäude / avik

Er schien eine kleine Erfolgsgeschichte zu sein in diesen Tagen in Schwerin: Der „Musikalische Adventskalender mit Abstand“. Die Musik- und Kunstschule ATARAXIA hatte ihn in Zusammenarbeit mit dem Säulengebäude am Marktplatz konzipiert, organisiert und realisiert. Die Fenster und Türen wurden zu Türchen. Jeden Tag sollte sich eins öffnen, und kurz etwas vorweihnachtliche Straßenmusik erklingen. Bis einschließlich zum Nikolaustag klappte das – eben mit Abstand. Dann untersagte die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier das musikalische Türchenöffnen.

 

Gestern Mittag kam die Absage

Kurz vor 14 Uhr am gestrigen Montag erreichte unsere Redaktion eine kurze und knappe Pressemitteilung von ATARAXIA und Säulengebäude. In dieser hieß es: „Aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens untersagt die Landeshauptstadt Schwerin den Musikalischen Adventskalender im Säulengebäude. Wir bedauern diese Absage und möchten uns bei unseren Besuchern bedanken, die sich vorbildlich an die Abstandsregeln gehalten haben und so zu friedlicher Vorweihnachtsstimmung auf dem Markt beigetragen haben.“

 

Waren Ereignisse vom Wochenende Auslöser der Entscheidung?

Nun kann man sich natürlich fragen, was konkret mit dem Infektionsgeschehen verbunden an Problemen aufgetreten war. Man könnte vermuten, dass nach den wenig rühmlichen Ereignissen vom Wochenende, bei denen das Schweriner Ordnungsamt nachvollziehbarerweise an die Grenzen des Machbaren kam, seitens der Stadt nun doch härtere Maßnahmen folgen. Allerdings, dies zur kurzen Erinnerung, kam es nicht im Zusammenhang mit dem „Musikalischen Adventskalender“ zu entsprechenden Problemen. Vielmehr waren es ganz andere, überwiegend mit Alkoholausschank verbundene, neuralgische Punkte wie am Anleger der Weißen Flotte oder auch in konkret innerstädtischen Lagen, an denen es zu Zuständen fernab der geltenden Regeln kam. Sollte also der „Musikalische Adventskalender mit Abstand“ eine Art „Bauernopfer“ sein, um eine härtere Gangart gegenüber den eigentlichen Problempunkten noch zu vermeiden?

Nicht wirklich, wie sich am gestrigen Abend in der Stadtvertretung zeigte. Denn dort erklärte Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier, dass die Stadt am heutigen Dienstag auch das Thema „Alkoholausschank“ möglicherweise neben anderen Punkten nochmals genauer betrachten wolle. Aber erst einmal möchte man die Infektionszahlen des heutigen Tages abwarten, um gegebenenfalls erst dann eventuell weitere härtere Maßnahmen zu beschließen. Hier einen Zusammenhang zu konstruieren, würde damit der Situation offenbar nicht gerecht.

 

Veranstaltungscharakter führte offenbar zur Absage

Zudem kursierte die Information, so wirklich untersagt habe der Oberbürgermeister den „Musikalischen Adventskalender mit Abstand“ an sich nicht. Vielmehr habe er seine Skepsis zum Ausdruck gebracht und darauf verwiesen, dass der Kalender letztendlich einen Veranstaltungscharakter habe. Alles klag eher nach der Bitte, ATARAXIA und das Säulengebäude mögen aus eigenem Antrieb absagen. Nun kann man diese fein klingende Nuance gern „Haarspalterei“ nennen. Und doch ist es letztlich ein entscheidender rechtlicher Unterschied. Daher fragte unsere Redaktion bei der Pressestelle der Stadt nach. Sehr schnell und präzise kam von dort auch eine klare Antwort.

 

Presse stelle spricht von Erfolg der die Einhaltung von aktuellen Regeln „nicht mehr ermöglicht“

„Nach Rechtsauffassung der Stadt  hat der  ‚Musikalische Adventskalender mit Abstand‘  inzwischen Veranstaltungscharakter und ist damit von der geltenden Corona-Landesverordnung nicht gedeckt. Wir haben anderen Initiativen (wie dem Konservatorium und der Staatskapelle) ähnlich gelagerte Kulturbeiträge in der Öffentlichkeit untersagt, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Dies haben wir ATARAXIA mitgeteilt, da sich zeigt, dass der Erfolg der Veranstaltung beim Publikum die Einhaltung der Abstände und Kontaktbeschränkungen nicht mehr ermöglicht. Daraus folgt, dass die Landesverordnung den „Musikalischen Adventskalender“ in dieser Form untersagt“, so Stadtsprecherin Michaela Christen.

 

Auch OB Dr. Badenschier verweist auf Veranstaltungscharakter

Diese Darstellung unterstrich auch Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier am späten Nachmittag in der Stadtvertretung. Auch er verwies auf den Veranstaltungscharakter der täglichen Musik aus Fenster oder Türen. Unter Bezugnahme auf §8 der Corona-Landesverordnung stellte er klar, dass eine solche eben nicht möglich sei. Der „Musikalische Adventskalender mit Abstand“ sei leider ein Opfer seines eigenen Erfolgs geworden, so Badenschier. Auf den ersten Blick vielleicht eine nachvollziehbare Entscheidung. Und damit zudem auch die Klarstellung, dass es sich tatsächlich um eine Untersagung des „Musikalischen Adventskalenders mit Abstand“ seitens der Stadt handelte. Allerdings bleiben Fragen. Denn schon deutlich vor dem Öffnen der ersten Türen war zumindest die Stadtspitze in die Planung involviert. Weshalb wies man beispielsweise nicht auch gegenüber ATARAXIA, wie offenbar auch gegenüber anderen Anfragen, gleich auf diese Problematik hin, und ließ den Kalender erst einmal „laufen“?

 

Waren oder sind geltende Regeln wirklich nicht mehr einzuhalten?

Und war bzw. ist es wirklich so, dass der Erfolg beim Publikum „die Einhaltung der Abstände und Kontaktbeschränkungen nicht mehr ermöglicht“, wie es von Seiten der Pressestelle hieß? Wer die Situation vor Ort selbst erlebt hat, kann dies zumindest für die ersten Tage nicht bestätigen. Nimmt man nun an, es handelte sich um eine Veranstaltung, haben die „Veranstalter“ tatsächlich dafür Sorge getragen, dass die Abstände auf dem großen unbebauten Platz eingehalten wurden. Zudem kamen zwar durchaus zahlreiche Menschen, um die kurzen Minuten der vorweihnachtlich musikalischen Atmosphäre zu genießen. Aber es war selbst am Samstag und Sonntag noch ausreichend Platz auf dem Markt, um sogar noch weitere Besucher mit ausreichend Abstand zu ermöglichen.

Am Ende bleibt ein ab jetzt inhaltsloser Adventskalender

Letztlich bleibt nun, dass sich seit gestern am Säulengebäude keine Türen oder Fenster mehr öffnen. Ein Adventskalender, der still steht. Der aber eigentlich ein wenig zusätzliches vorweihnachtliches Feeling in die Stadt bringen wollte. Ob es nun an tatschlichen Abstandsproblemen, am Veranstaltungscharakter oder vielleicht auch an nicht nur positiven Blicken Dritter auf dieses Angebot lag, ändert nichts an der Realität.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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