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Der kleine Mann mit dem Besen

    (rm). Vor einigen Tagen veröffentlichten wir ein Interview mit dem Bildhauer Bernd Streiter, der die Figur von „Oll Felten“ vor der Sparkasse auf dem Marienplatz geschaffen hat. Viele

  • Veröffentlicht April 10, 2015

 

Der olle Felten

 

(rm). Vor einigen Tagen veröffentlichten wir ein Interview mit dem Bildhauer Bernd Streiter, der die Figur von „Oll Felten“ vor der Sparkasse auf dem Marienplatz geschaffen hat. Viele Leser wollten nun mehr über den Mann mit dem Besen wissen. Daher haben wir einmal den Stadthistoriker Ralph Martini befragt, was er über  Vadder Felten weiss.

 

Mit Schlagfertigkeit und seinem trockenem Humor brachte er die Leute zum Schmunzeln. Er war ein Schweriner Original, die Stadt Schwerin liebte ihren „ Vadder Felten“. Vor dem Gebäude der Sparkasse auf dem Marienplatz erinnert eine Bronzestatue an den mürrischen Straßenfeger.

 

Die Generationen von Schülern bekannte Frage: „Was hat sich der Künstler dabei gedacht?“, erhält eine völlig andere Dimension wenn der Blick des aufmerksamen Beobachters auf den Mantel des Straßenfegers fällt. Da stehen eingeritzt in die Bronze Begriffe wie „ Ein Euro Job, Stempeln gehen“ und ähnliches. Ob der Sponsor der Figur damit wohl einverstanden war ? Sie wurde durch eine Spende der Sparkasse ermöglicht.

 

Geschaffen wurde das Kunstwerk vom Lenzener Bernd Streiter. Der Bildhauer wurde 1962 in Perleberg geboren, besuchte bis 1981 das Gymnasium in Perleberg und studierte bis 1991 in Leipzig an der HGB, heute lebt der Künstler im nördlichsten Zipfel des Landes Brandenburg. Der Schöpfer der Figur hat in mehreren Städten Mecklenburgs Spuren seines künstlerischen Schaffens hinterlassen. In Raben- Steinfeld bei Schwerin hat er die vier monumentalen Raben auf die großen Findlinge gestellt, in Hagenow schuf er die drei Figuren des Fiekn- Brunnen. Die Wittenburger Skulptur des Glücksfängers und die Schweriner Blumenfrau am Bertha- Klingberg- Platz kommen ebenso aus Streiters Atelier in der Lenzener Altstadt, wie Porträtköpfe , u.a. von den ehemaligen Bundeskanzlern Helmut Kohl und Helmut Schmidt, seine Radierungen und Handzeichnungen überzeugen durch ihre ungewöhnliche Detailgenauigkeit.

 

Über sein Leben ist wenig bekannt

 

Über „Oll Felten“ gibt es viele Anekdoten, aber über sein Leben ist relativ wenig bekannt. August Felten wurde am 8. März 1852 in der Schweriner Wallstrasse geboren. Der Vater, ein schlechtbezahlter Arbeiter hatte es schwer die Familie zu ernähren. August Felten soll vierzehn Brüder gehabt haben. Als dann auch noch eines Tages der Vater beim Angeln in den Schweriner See stürzte und nur noch tot geborgen wurde lag die alleinige Last auf den Schultern der Mutter. Die Frau überlebte ihren Mann nur um wenige Jahre, im mittleren Lebensalter starb sie nach einem Asthmaanfall.

 

Der kleine August besuchte die Freischule in der Lübeckerstrasse und wurde später Schüler der Bürgerschule. Nach nur einem halben Jahr verließ er die Schule und erlernte in der Firma Schmetthaus & Säfke den Beruf eines Fischers. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitete Felten beim Schweriner Fischer Oberländer.
1873 wurde er für das Militär gemustert. Er kam zum Sanitätsdienst. Während eines Manövers verunglückte der junge Rekrut. An den Folgen des Unglücks hatte der Mann bis an sein Lebensende zu „ knabbern“. Ein Kamerad schlug dem armen Kerl sämtliche Vorderzähne aus.

 

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Nach der Entlassung aus dem Militärdienst schipperte August Felten jahrelang über den Schweriner See. Er beförderte mit seinem Kahn Kohlen und Steine für die Landeshauptstadt. Einmal wäre er bald ertrunken. Bei einem starken Sturm schlug sein völlig überladener Kahn voll Wasser, Felten fiel über Bord und konnte in letzter Minute von einem anderen Schiffer gerettet werden.

 

„ Nie wieder Wasser“, mag sich der Unglückliche gedacht haben, fortan arbeite er für die Bahn als Gleisarbeiter. Auch hier schlug das Schicksal zu. Ein Arbeitsunfall zerquetschte sein linkes Kniegelenk.

 

Irgendwann erhielt August Felten eine geringe Rente. Trotz aller gesundheitlichen Einschränkungen setzte er sich nicht zur Ruhe. Schwerin benötigte einen „Straßenfeger“, Felten nahm die Stelle an und fortan sah man ihn jeden Morgen selbstbewusst, schon früh am Morgen, in den Straßen der Stadt, Besen und Eimer geschultert, seiner Arbeit nachgehen.

 

Ungerechtigkeit machte ihn dickschädlig

 

Bald schon gehörte er zum Straßenbild, zog sein linkes kaputtes Bein nachziehend in seine Reviere. Jeden der ihn begegnete grüßte er mit den Worten: „ Guten Morgen die Herren, Guten Morgen die schönen Damens.“

 

Auf dem Ziegenmarkt gab es einen kleinen Verkaufskiosk. Hierhin zog es ihn in den, von ihm selbst festgelegten, Arbeitspausen. Seinen Schnaps brauchte er und hier traf er seine „Supkumpane“ fast täglich.

 

Auf dem Schweriner Wochenmarkt soll sich August Felten legendäre Wortgefechte mit den Markfrauen geliefert haben. Wenn feine Damen seinem Besen zu nahe kamen, überfiel er sie regelrecht mit einem Schwall wüster Beschimpfungen. Wenn er sich ungerecht behandelt fühlte konnte er sehr böse werden. Dies brachte Felten im September 1925 einen Strafbefehl wegen Beamtenbeleidigung ein. Zwei Damen waren ihm in den Besen gelaufen, die herbeigerufenen Schutzleute belegte er daraufhin mit obszönen Worten. Nun legte Felten einen Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Er begründete dies mit der Behauptung er wäre vom Publikum und von den Schutzleuten zu seinen Äußerungen geradezu gereizt worden und er könne nicht anders. Das Unglaubliche geschah. Die Richter gaben Felten recht, der Strafbefehl wurde abgewiesen. Das er des Schreibens nicht mächtig war ist anzuzweifeln, einige Anekdoten berichten darüber, ob sie der Wahrheit entsprechen, wer kann dies heute noch sagen?

 

August Felten war mit einer Marie Rieckhoff aus Gallentin verheiratet. Seine Söhne hatten den Kontakt zu ihm nach diversen Auseinandersetzungen abgebrochen. 1929 wohnte er auf dem Großen Moor 29. Im Hinterhaus hatte er eine Stube, Kammer und Küche. Hier starb August Felten am 12. November 1931 im Alter von 79 Jahren. Oft war er „Gevatter Tod“ nahe gewesen, nun hatte er ihn in seinem achtzigsten Lebensjahr entgültig geholt. Die Stadt Schwerin trauerte, „Vadder Felten“ der einfache Straßenfeger hatte durch seine Art die Herzen der Schweriner erobert. „ Oll Felten“, der kleine Mann mit dem Besen. Gut das er seinen Platz im Herzen der Landeshauptstadt gefunden hat.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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