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Schweriner Tafel: Nach 26 Jahren immer noch in der Stadt gebraucht

Über 26 Jahre hilft die Tafel in Schwerin bedürftigen Menschen in der Stadt. Nach wie vor wird sie auch noch gebraucht. Viellecht bald mehr als je zuvor.

  • Veröffentlicht März 3, 2021
Peter Grosch und Dennis Grätsch engagieren sich für die Tafel in Schwerin | Foto: Sebastian Hafemeister

 

Salatköpfe, Brote und Brötchen, Äpfel und Bananen – in großen Plastikkisten tragen Helfer die Lebensmittel in den großen Raum der Tafel in Schwerin. Auf langen Tischen beginnen die Helfer nun routiniert die Lebensmittel in Pakete zu packen, die von den Bedürftigen um die Mittagszeit abgeholt werden.

Das  ist ein Armutszeugnis für unser Land

Jeden Freitag sammelt sich vor dem Gebäude in der Julius-Polenz-Straße in Schwerin-Lankow eine große Menschenmenge. Alle haben etwas gemeinsam: Ihnen fehlt das Geld für Lebensmittel. So sind sie auf die Unterstützung durch die Tafel angewiesen. Für viele Menschen in der Schlange ist es der einzige Tag der Woche, an dem sie frische Lebensmittel bekommen. Dementsprechend groß sind die Rucksäcke, Plastiktüten und Rollkoffer, die sie mitgebracht haben. Für Peter Grosch und Dennis Grätsch ist es ein Freitag wie jeder andere. Beide engagieren sich im Vorstand der Tafel Schwerin. Peter Grosch gehörte vor 26 Jahren zu den Mitbegründern. Gewöhnen mag er sich bis heute nicht daran, dass in einem Land wie Deutschland Menschen um Essen betteln müssen. Grosch erzählt von einem Rentner, der über 40 Jahre gearbeitet hat und nun zur Tafel gehen muss. Die Tafel würde den Mann finanziell entlasten und so bliebe ihm Geld für einen Zoo- oder Kinobesuch mit seinen Enkeln. „So etwas in einem der reichsten Länder der Welt, das ist ein Armutszeugnis“, sagt Peter Grosch. 

Die Tafel ist auf bürgerschaftliches Engagement angewiesen | Foto: Sebastian Hafemeister

Fünf Tage in der Woche bietet die Tafel bedürftigen Menschen ein Frühstück und ein Mittagessen am Tag an. Etwa 20-30 Menschen nehmen tagtäglich dieses Angebot wahr. Freitag ist dann immer Lebensmittelausgabe. „Wir haben hier im Schnitt immer 60-80 Kunden, die sich hier Lebensmittel abholen.“, sagt Dennis Grätsch. Etwa 60 Mitarbeiter hat die Tafel, die verschiedene Anlaufstellen in Westmecklenburg betreut. 

Laut Grosch sind genügend Grundnahrungsmittel vorhanden und die Spendenbereitschaft der Menschen sei groß. „Natürlich sind wir kein Supermarkt und so kann es auch schon einmal passieren, dass das eine oder andere an so einem Tag ausgeht, bevor der letzte Kunde sein Paket entgegennehmen konnte.“ Verteilen könne man nur das, was Supermärkte abgeben würden. 

Lebensmittelverschwendung wird verhindert 

Wer einen Bescheid, beispielsweise einen Hartz IV-Bezugsschein vorweisen kann, der wird versorgt. „Unser Verein lebt ausschließlich von Spenden und nicht von staatlicher Förderung.“, betont Peter Grosch. Bürgerliches Engagement muss funktionieren und funktioniert auch. Da ist sich Grosch sicher. Die Tafel ist für ihn aber mehr als nur eine Hilfseinrichtung. Etwa die Hälfte aller Lebensmittel werden heute weggeworfen. Die Tafel tut durch ihr Engagement ganz konkret etwas gegen die Lebensmittelverschwendung. Insofern ist für Peter Grosch die Tafel auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. 

Durch das Fenster wird auch in Coronazeiten die Lebensmittelausgabe aufrecht erhalten | Foto: Sebastian Hafemeister

 

Eine verstärkte Nachfrage nach dem Angebot der Tafel durch Corona können Dennis Grätsch und Peter Grosch nicht feststellen. Das sei aber kein Grund Entwarnung zu geben. Die Folgen der Pandemie seien noch nicht vollumfänglich durchgedrungen. Daher könne sich der Bedarf schnell verändern. 

Folgen der Pandemie noch nicht absehbar

Tatsächlich hat die Universität Mannheim im vergangenen Sommer an einer repräsentativen Studie mitgearbeitet, die die Auswirkungen der Pandemie auf das Leben der Deutschen untersucht. Zwischen März und Juli haben die Forscher jede Woche 3.600 Menschen befragt. Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend: Die Lebenszufriedenheit ist in allem Bevölkerungsgruppen gesunken. Aber einige Gruppen wurden besonders hart getroffen: Kurzarbeit und Jobverlust betreffen insbesondere Menschen, die schon vor der Krise wenig verdient hätten. Die Folgen der Pandemie seien für Soloselbstständige und kleine Betriebe in Gastgewerbe und Tourismus verheerend. Insofern kann tatsächlich nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig auch mehr Menschen in Schwerin auf die Hilfe der Tafel angewiesen sein werden.

Gastwirt unterstützt ehrenamtlich

Der Stadtvertreter Heiko Steinmüller ist selber Gastwirt und sein Pub „The Scotsman“ muss seit November zu bleiben. Er entschloss sich daher die Arbeit der Tafel zu unterstützen. „Das ich mich dazu entschlossen habe, ist eigentlich ganz schnell erklärt. Mir war langweilig.“, so Steinmüller.

 

Der Schweriner Stadtvertreter Heiko Steinmüller hilft am Donnerstag und am Freitag bei der Tafel | Foto: Sebastian Hafemeister

 

Er habe deshalb Kontakt zum Projekt Carisatt auf dem Dreesch aufgenommen. Montag und Dienstag unterstützt er nun dort die Essenausgabe. Irgendwann rief er dann bei Peter Grosch an und fragte, ob auch die Tafel Hilfe benötigen würde.  Donnerstag und Freitag ist er nun bei der Tafel in Lankow vor Ort. „So habe ich nun nur noch am Mittwoch frei.“, witzelt Steinmüller. Der bekannte Schweriner Gastwirt hilft gerne. Sein Engagement wird nicht bezahlt. Natürlich würde er gerne wieder auch als Gastwirt hinter seinem Tresen stehen können. „Steini, dann bist Du ja nicht mehr hier.“, sagt eine Frau, die in der Reihe nach Lebensmitteln ansteht. Mal schauen, wenn dann irgendwie kann, werde ich weiterhelfen. 

Tafel Schwerin e.V.

Die Tafel Schwerin e.V. unterstützt durch seine Projekte in Schwerin und Westmecklenburg Menschen in besonderen sozialen Lebenslagen. Dazu unterhält der Verein drei Kraftfahrzeuge, hat mehrere Objekte angemietet und arbeitet mit Kirchengemeinden, einem Beschäftigungsträger und vielen ehrenamtlich Mitwirkenden zusammen.

Alle Projekte sind unter der zentralen Telefonnummer +49 385 48 38 46 85 oder per E-Mail unter  info@schweriner-tafel.de zu erreichen. Mit einer Spende unterstützen Sie die sozialen Projekte des Vereins.

Kontoinhaber: Tafel Schwerin e.V.
Bankname: Evangelische Bank eG
IBAN: DE65 5206 0410 0007 3104 04
BIC: GENODEF1EK1

Für die Verwendung der Geldspende tragen Sie ggf. einen Verwendungszweck ein. (z.B. Kindertafel, Suppenküche, Fahrzeuge, Miete, Tafelgarten) Die Tafel Schwerin e.V. ist berechtigt, Ihnen eine Bestätigung dieser Geldzuwendung auszustellen und sendet Ihnen diese auf Wunsch zu.

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Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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