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Systemrelevante Berufe dieses Mal ohne Betreuungsgarantie

Aktuell ist in vielen Bereichen die Personalsituation angespannt. Betroffen ist trotz großartiger Impfquote auch die Kita gGmbH. So fehlt(e) teilweise das Personal, um Einrichtungen geöffnet zu halten. Damit stehen die

  • Veröffentlicht Februar 15, 2022
Corona zwingt aktuell hier und da zu geschlossenen Kitas oder Kita-Gruppen. | Foto: Alexander Vollmer

Auch weiterhin liegt die Infektions-Inzidenz der 5- bis 14-jährigen im Land bei einem Wert um 4.000. Selbst bei den 0- bis 4-jährigen liegt sie oberhalb des Landesdurchschnitts. Schwerin wies gerade bei den Altersklassen der Kinder in Kita und Schule bis in die laufenden Winterferien hinein dabei ein nochmals deutlich höheres Infektionsgeschehen aus. Die Omikron-Welle ist also, das kann man wohl auch ohne Fachkenntnis sagen, ist zu einer Infektionswelle vor allem der Jüngeren und Jüngsten geworden. Einer der Hintergründe können, wie unter anderem der Sozialsenator von Rostock in der vergangenen Woche darstellte, nicht ausreichende Mittel zum tatsächlichen Schutz der Kinder und Jugendlichen sein. Steffen Bockhahn (Linke) hatte von der Hansestadt aus der Landesregierung vorgeworfen, eine gezielte Durchseuchung in diesen Altersklassen zu vollziehen. Die Reaktion aus dem Ministerium auf eine Anfrage unserer Redaktion zu diesen Vorwürfen konnte diesen Eindruck auch nicht ausräumen.

 

Großartige Impfquote bei Personal der Kita gGmbH in Schwerin

So gibt es nun vielerorts ganz unmittelbar spürbare Folgen der unter anderem von Sozialsenator Steffen Bockhahn kritisierten Situation. Die massive Anzahl erkrankter Kinder und damit verbundener Isolations- und Quarantäneanordnungen führt gerade auch in Kitas zu überdurchschnittlich vielen Schließung von Gruppen oder gar ganzen Einrichtungen. Zudem beeinflusst die Personalsituation dieses Geschehen. Denn auch immer mehr in den Einrichtungen tätige Fachkräfte stecken sich mit dem Virus an und fallen aus. Auch wenn sie, wie in Schwerin, überdurchschnittlich geimpft sind. So spricht Anke Preuß, Geschäftsführerin der städtischen Kita gGmbH in der Landeshauptstadt, in einem Elternbrief von einer 94-prozentigen Impfquote unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eine ohne Frage großartige Zahl, die Respekt und Dank abverlangt. Aber natürlich kommt es auch hier zu Impfdurchbrüchen. Wenn auch „bei Weitem nicht mehr mit diesen schlimmen Verläufen“, so Anke Preuß.

 

Dennoch zugespitzte Situation in Kitas

Einer der Hintergründe der dennoch vielen Infektionen auch in den Reihen des Personals dürfte in der jungen Belegschaft der Kita gGmbH liegen. Deren Infektionsort muss nämlich gar nicht zwingend der Arbeitsplatz sein. So haben viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst Kinder in Kitas und Schulen. Da dort das derzeit größte Infektionsgeschehen stattfindet, infizieren diese erst sich und dann zu Hause auch die Eltern. Dies können das Virus unbewusst mit an ihren Arbeitsplatz, die Kita, bringen. Ein Teufelskreis.

Allerdings fällt das Personal nicht allein aufgrund eigener Erkrankungen aus. Viele müssen bei ihren Kindern bleiben. Auch dann, wenn diese gar nicht infiziert sind, sondern aufgrund geschlossener Einrichtungen zu Hause bleiben müssen. „Daraus folgt“, so Anke Preuß im Elternbrief: „Wir haben in unseren Kindertageseinrichtungen eine sehr zugespitzte Situation.“ Kurz gesagt: Es fehlt aktuell an Personal. Dabei setze man in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) sowie dem Gesundheitsamt der Stadt Schwerin alle Vorgaben um. Dazu zähle unter anderem auch die Bildung von Kohorten, so Anke Preuß.

 

Vielerorts spielen die Kita-Kids in festen Gruppen, in Kohorten, zusammen. Aber nicht überall. | Foto: Iris Hamelmann

Corona-Konzept an Kitas mit Lücken?!

Also klar definierte Gruppen. Diese sollen sich innerhalb der Einrichtungen nicht begegnen und nicht durchmischen. Dass dies tatsächlich klar und konsequent so überall stattfindet, scheinen einige Eltern zu bezweifeln. Vor dem Hintergrund des Berichts eines Elternteils, dass in der Kita „nidulus duo“ die Kinder quer durcheinander liefen, fragte unsere Redaktion bei der kommunalen Kita-Chefin nach, ob nun gruppenbasiert oder offen gearbeitet würde. Die Antwort: Kindergarten und -krippe seien im konkreten Fall getrennt. „Wie auch in vielen anderen Einrichtungen lebt die Kita nidulus duo [ansonsten] das offene pädagogische Konzept. […] Die Kita nidulus duo ist eine vergleichsweise kleine Kita, und das Konzept darf auch unter Corona so gelebt werden.“ Aber passt das mit konsequenter Kohortenbildung zusammen? Auch wenn die Kinder, wie Anke Preuß darstellt, in der offenen Arbeit einen Bezugserzieher haben.

Was letztlich an einer stetigen Durchmischung nichts ändert. Anke Preuß verweist im Zusammenhang mit der konkreten Kita darauf, dass diese 24 Stunden geöffnet sei, und es so durch verschiedene Bringe- und Abholzeiten ohnehin zu Überschneidungen käme. Aber heißt das, dass es dann auch ansonsten lockerer laufen kann? Müsste nicht vielmehr besondere Vorsicht gelten?

Das Gesamt-Kita-Corona-Konzept in Schwerin scheint also Lücken zu haben. Lücken, die zumindest eine zusätzliche Störanfälligkeit – sprich eine erhöhte Infektionsgefahr – mit sich bringen können. Oder sollen, folgt man Steffen Bockhahn. So groß das Engagement ansonsten auch ohne Frage sein mag, auf das Anke Preuß gewiss zu Recht hinweist: „Wir engagieren uns in vollem Maß dafür, alle Einrichtungen offen zu halten. Aber im Einzelfall ist es leider nicht immer möglich […].“ Dann müssen Einrichtungen schließen. Und schon sind alle Eltern betroffen. Selbst wenn deren Kinder noch gesund sind.

 

Kein spezielles Konzept für systemrelevante Gruppen erkennbar

Diese Eltern müssen dann von heute auf morgen eine Betreuungslösung finden. In der Regel bedeutet dies, dass Mutter oder Vater die Möglichkeit des Zu-Hause-Bleibens aufgrund der gesetzlich möglichen Kinderkrankentage nutzen.  Mit der Folge, dass die betreffenden Personen im Job unplanmäßig und von jetzt auf gleich ausfallen. Eine für keinen Arbeitgeber wünschenswerte Situation. Gerade in einer verwaltungslastigen Stadt wie Schwerin lässt sich allerdings so manches über Home-Office lösen. Und häufig ist die Unabkömmlichkeit auch nicht so zwingend gegeben. Aber es gibt die durchaus „systemrelevanten“ Bereiche, in denen das Fehlen einzelner Personen schnell Auswirkungen auf wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens hat. So schlossen Kliniken speziell auch im östlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern aufgrund fehlenden Personals bereits ganze Stationen. In Schwerin sei dies aus diesem Grund bisher nach Angaben eines Kliniksprechers nicht erforderlich.

Speziell in der ersten Zeit der Pandemie, als die Kitas ganz geschlossen blieben, zur Verhinderung entsprechender Engpässe eine Notversorgung für die Kinder von Eltern, die in diesen Bereichen tätig sind. Nun dürften die meisten wohl davon ausgegangen sein, dass es auch in Zeiten vorhersehbarer Personalengpässe entsprechende Überlegungen für diese Personengruppe gegeben haben dürfte. Vor allem, da schon seit Dezember öffentlichkeitswirksam erklärt wurde, Bund, Länder und Kommunen würden für eben diesen (Katastrophen-)Fall, dass es Personalengpässe in systemrelevanten Bereichen gäbe, entsprechende Maßnahmen vorbereiten. Dazu hätten, so sollte man denken, vor allem präventive Ansätze zählen müssen. Maßnahmen also, die einen Ausfall von Personal so gut es geht von vorn herein verhindern. Wie beispielsweise eine vor Eintreffen der Omikron-Welle festgelegte Strategie der garantierten Betreuung von Kindern der in systemrelevanten Bereichen Beschäftigten.

 

In systemrelevanten Bereichen wäre eine Betreuungsgarantie hilfreich. | Foto: privat

Garantierte Betreuung würde Situation erleichtern

Eine solche allerdings scheint es zumindest in Schwerin nicht zu geben. Denn solange in einer Kita noch die Betreuung abgesichert ist, bleibt sie für alle offen. Danach gibt es den Schritt der Schließung – einzelner Gruppen oder aber der gesamten Einrichtung. Eine Art Notbetrieb für systemrelevante Gruppen, der gegebenenfalls auch mit wenigen pädagogischen Kräften in den den Kindern bekannten Einrichtungen realisierbar wäre, gibt es bei der städtischen Kita gGmbH dieses Mal nicht. Auch sei die Einrichtung kompletter Kitas als „Notbetriebe“ für systemrelevante Bereiche weder angedacht noch eine Lösung. Man könne „kleine Kinder nicht einfach aus der vertrauten Umgebung nehmen und sie mit anderen Kindern und Erziehern neu zusammenstecken. Die Kinder wären völlig verstört und ich denke, das ist auch nicht im Sinne von Eltern“, so Anke Preuß.

Aber läge diese Frage nicht letztlich im Entscheidungsbereich der Eltern? Und steht dann nicht die Frage, weshalb es in den Kitas nicht ab einer entsprechend geringen Personalstärke nur noch eine Notbetreuung gibt, statt sie ganz zu schließen? Den Helios Kliniken Schwerin beispielsweise wäre damit schon ein gutes Stück geholfen. Von dort heißt es: „Wir gehen davon aus, dass eine garantierte Betreuung von Kita-Kindern die Situation für einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleichtern würde“.  Und damit letztlich für den Klinikbetrieb.

In diesem Zusammenhang weist Kita-Chefin Anke Preuß darauf hin, dass in Schwerin mehr als 50 Prozent aller Erwerbstätigen in als „systemrelevant“ eingestuften Bereichen tätig seien. Soll heißen, das wären ziemlich viele Kinder. Allerdings müsste man vielleicht den Schritt gehen, die Definition von „systemrelevant“ zu wählen, die zu Beginn des ersten Lockdowns galt. Denn da war der Anteil deutlich geringer (Quelle: nordkurier). Erst im Verlauf des ersten Lockdowns erfolgte eine Ausweitung der als „systemrelevant“ eingestuften Berufe. Diese hätte sich im Vorfeld der Omikron-Welle für die nun überschaubarere Zeit anpassen lassen.

 

Vorausschauende Planung?

Es steht mit Gewissheit außer Frage: Das Personal in den Kitas leistet große Arbeit. Das gilt es auch klar zu unterstreichen. Gerade in einer Zeit, in der die Kitas zu den Orten mit einem doch recht großen Infektionsgeschehen zählen und stark von Personalausfällen betroffen sind. Erlaubt sein muss aber die Frage, weshalb es dieses Mal offenbar keine vorbereitete Lösung für die Eltern systemrelevanter Bereiche gibt. Es mag nun am Ende, die Hoffnung ist nicht ganz unberechtigt, irgendwie gehen. Dann aber war es großes Glück und zweifelsfrei vielerorts ein Jonglieren an der Grenze des Machbaren. Das Ergebnis vorausschauender Planung war es nicht.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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