Mo, 6. Mai 2024
Close

Ein harter Vorwurf: Gezielte Durchseuchung an Schulen und in Kitas

"Gezielte Durchseuchung" - für manche ein Heilsbringer, für die meisten wohl aber ein alles andere als angenehmer Gedanke. Vor allem, wenn es um die Jüngsten unserer Gesellschaft geht. Genau diesen

  • Veröffentlicht Februar 8, 2022
Findet in den Kitas und an den Schulen im Land eine gezielte Durchseuchung statt? | Foto: privat

Die Politik wehrt sich gegen das Wort. Verschiedene Wissenschaftler bekommen ernste Gesichter, wenn sie es hören. Nicht wenige Eltern im Land haben – manche mit gutem andere mit sehr schlechtem Gefühl – den Eindruck, sie würde längst laufen. Auch in unserer Zeitung fand sich das Thema bereits wieder. Die Rede ist von nichts anderem als einer Durchseuchung speziell jüngerer Jahrgänge. Zuletzt nun holte Rostocks Sozialsenator Steffen Bockhahn (Linke) das Thema erneut auf die Agenda.

 

Rostocker Sozialsenator: Entscheidungsträger wollen nicht entscheiden

Bei so einigen Leserinnen und Lesern der Ostsee-Zeitung (OZ) dürfte am gestrigen Montag die Überraschung durchaus groß gewesen. Denn während es inzwischen traurige Realität ist, dass Oppositionen und Regierungen offensichtlich nicht mehr den gemeinsamen Kampf gegen die Pandemie, sondern vielfach parteipolitische Erwägungen im Blick haben, hat Rostocks Sozialdezernent Steffen Bockhahn speziell seine Parteikollegin Simone Oldenburg (beide Linke) scharf angegriffen. Er wirft der Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommern sowie der Landesregierung an sich eine gezielte Durchseuchung der Kinder und Jugendlichen Vor. Die OZ zitiert dabei Posts des Sozialdezernenten auf Facebook und Twitter: „Ich muss akzeptieren, dass es keine strengen Maßnahmen und keinen Lockdown gibt. Diejenigen, die das zu entscheiden hätten, wollen das nicht. Aber erklärt mir nicht, dass hier nicht gezielt Durchseuchung insbesondere von Kindern stattfindet oder zumindest billigend in Kauf genommen wird. Ich halte das für verantwortungslos und falsch.“

 

Vorwurf der „gezielten Durchseuchung“ steht im Raum

In keiner anderen Altersgruppe käme es aktuell zu mehr Corona-Fällen, als unter den Null- bis Zwölfjährigen. Ein Blick in die täglichen Lageberichte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales M-V (LAGuS) bestätigt dies. Mit einer Inzidenz von etwa 3.700 liegt diese Gruppe mehr als 2.000 Punkte vor der nächsten Gruppe, der Fünfzehn- bis Fünfunddreißigjährigen. Trauriger Spitzenreiter sei nach OZ-Angaben derzeit bei den Sechs- bis Elfjährigen die Landeshauptstadt Schwerin. Hier, wo Oberbürgermeister Badenschier vor einigen Monaten eine Durchseuchung der jungen Generation für „unvermeidlich“ hielt, liegt die Inzidenz bei 5.500. Ein durchaus relevanter Wert, zeigt er doch die Masse an Erkrankungen in dieser Gruppe für die es bislang wenig Erkenntnisse über Long-Covid – vor allem im Zusammenhang mit Omikron – gibt. Zudem ist die Gefahr groß, dass von infizierten Kindern Infektionen auf geimpfte vor allem aber auch auf ungeimpfte Erwachsene übertragen werden können.

Wie auch ansonsten im Land sind in Schwerin speziell die Kitas aber auch die Schulen aktuell massiv von der Omikron-Welle betroffen. An verschiedenen Stellen in Land laufen Kitas bereits in Notbetreuung. Andere sind schon geschlossen. Auch in Schwerin berichtet Anke Preuß, Geschäftsführerin der kommunalen Kita gGmbH, von einer angespannten Situation.

 

Ministerium: Bockhahn hat alle Instrumente um zu handeln

Unter Bezug auf den den Vorwurf des im Land doch recht prominenten Politikers und Dezernenten Steffen Bockhahn erklärte Ministeriums-Sprecherin Annett Meinke gegenüber schwerin-lokal, sämtliche infektionsschutzrechtliche Maßnahmen in den Kitas und Schulen würden durch die Gesundheitsämter verantwortet. Und an die Adresse des Linken-Politiker adressiert heißt es weiter: „Die Gesundheitsämter und Jugendämter in der Hansestadt Rostock befinden sich im Verantwortungsbereich des Sozialsenators Steffen Bockhahn. Sollte aufgrund hoher Infektionszahlen in Rostock Handlungsbedarf bestehen, sind Senator Bockhahn über die Jugendämter und Gesundheitsämter alle Instrumente an die Hand gegeben, um zu handeln.“ Damit spielt das Ministerium den Ball direkt zum „Angreifenden“ zurück. Was, liest man Bockhahns Post genau, aber beinahe ein Schuss ins Leere ist. Denn der Sozialsenator hatte mit keinem Wort gesagt, ihm seien gänzlich die Hände gebunden.

Vielmehr bemängelte er das Fehlern strengerer Maßnahmen bis hin zu einem Lockdown. Eingeschlossen dahinein wären beispielsweise Kitas nur noch mit Notbetrieb, Schulen mit ausgesetzter Präsenzpflicht oder aber eben doch komplette Schließungen. Auf den konkreten Vorwurf einer „gezielten Durchseuchung“ ging die Ministeriumssprecherin darüber hinaus nicht ebenso präzise ein. Sie verwies vielmehr nochmals auf die beschlossenen regeln und Maßnahmen für Schulen und Kitas. Dazu gehören dreimalige Tests wöchentlich in Schule und Hort, Impfangebote an den Schulen, Pflicht des Tragens der Mund-Nasenbedeckung an Schulen und in Horten sowie ein landesweiter Hygieneplan für Schulen und Kitas. Genau das eben, was Bockhahn als nicht ausreichend kritisiert.

 

Verweis auf wissenschaftliche Berater

Ferner blieben Bildungs- und Gesundheitsministerium weiterhin in enger Abstimmung mit den wissenschaftlichen Beratern der Landesregierung. Nach Aussage von Ministeriumssprecherin Meinke schätze beispielsweise Prof. Emil Reisinger „derzeit die vorhandenen Maßnahmen als ausreichend ein“. Der praxisnahe Dezernent scheint das mit Blick auf die Realität ganz anders zu sehen.

Das Argument des Ministeriums, die Entscheidungen zu Maßnahmen würden sich an den Empfehlungen der wissenschaftlichen Berater orientieren, ist dabei nicht neu. Und grundsätzlich ist – oder wäre – es auch sinnvoll. Allerdings scheint dies eben nicht in jedem Fall und immer zu gelten – oder eben nur dann, wenn es passt. Denn zuletzt war am Donnerstag vergangener Woche bekannt geworden, dass das Landeskabinett wohl heute eine Abschaffung der 2G-Regel im Einzelhandel beschließen würde. Ein wesentlicher wissenschaftlicher Berater der Landesregierung und gleichzeitig Mitglied im Expertenbeirat der Bundesregierung, Prof. Lars Kaderali vom Institut für Bioinformatik der Universitätsmedizin Greifswald, dürfte eben diesen Schritt im Vorfeld nicht befürwortet haben. Zumindest äußerte er sich unmittelbar nach Bekanntwerden eher skeptisch und setzte auf noch ein paar Wochen 2G.

So dürfte also, passiert nicht noch etwas Unerwartetes, auch Bockhahns deutliche Kritik an den Mauern des Marstalls in Schwerin, in dem das Bildungsministerium seinen Sitz hat, abprallen. Strengere Maßnahmen, wie sie der Sozialsenator fordert ,scheinen nicht geplant zu sein. Das Ministerium lässt die Welle weiter durch die Kitas rauschen. In den Schulen könnten die Zahlen vorübergehend sinken. Das wäre allerdings kein Erfolg der Maßnahmen, sondern ferienbedingt. Bleibt zu hoffen, dass die Omikron-Welle nach den Winterferien ihren Scheitelpunkt bereits überschritten hat.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert