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Unklarer Kurs zur weiteren Coronapolitik in der Landesregierung

Das gestern im Deutschen Bundestag in namentlicher Abstimmung beschlossene Infektionsschutzgesetz gibt einen neuen, sehr engen und offenbar rechtlich schwammigen Rahmen für Corona-Schutzmaßnahmen vor. In der Bund-Länder-Runde liefen die Bundesländer -

  • Veröffentlicht März 19, 2022
Am Donnerstag muss der Landtag im Schloss Schwerin. entscheiden | Foto: Symbolbild

Klar war nach der Bund-Länder-Runde zur Corona-Situation und der Frage nach den zukünftigen Schutzmaßnahmen am Donnerstag wohl nur eines: Die Ampelkoalition, die schon am Vormittag des Tages im Deutschen Bundestag nach der ebenso bewegenden wie klar mahnenden Rede des ukrainschen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Wunsch der Opposition nach einer Aussprache zur Rede und zur aktuellen Ukraine-Politik der Regierung verweigerte und würdelos einfach zur Tagesordnung überging, hat in der Corona-Frage die Zusammenarbeit mit den Ländern offenbar aufgekündigt. Ebenso wie das neue Infektionsschutzgesetz faktisch ohne jede Zusammenarbeit mit den Landesregierungen, die die tatsächlichen Situationen und Probleme kennen, entstanden ist, ignorierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Bund-Länder-Runde jede Warnung und jeden Wunsch nach Änderungen an dem Gesetz, die einen tatsächlichen Schutz der Menschen ermöglichen sollen.

Was nun folgt, ist im Augenblick der bislang höchsten Infektionszahlen, die Deutschland bislang gesehen hat, und im klaren Wissen einer enorm hohen Dunkelziffer an Erkrankungen, der Ausstieg aus den allermeisten Schutzmaßnahmen. Denn das, was das Infektionsschutzgesetz noch zulässt, bezeichnete NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit Zustimmung wohl der meisten, wenn nicht aller, Länderchefinnen und -chefs als „rechtlich unsicher und praktisch nicht umsetzbar“.

 

Ampelkoalition versucht Pandemie per Gesetz zu beenden

Das, was Kanzler Olaf Scholz im Nachgang der Zusammenkunft von Bund und Ländern als eine konstruktive Diskussion darstellte, war tatsächlich nicht weniger als ein länder- und vor allem auch parteienübergreifender Sturm seitens der Bundesländer, den Scholz offenbar in der ihm eigenen stoischen Gelassenheit an sich abprallen ließ. Länderinteressen, das zeigte sich am Donnerstag, spielen für den Bundeskanzler offenbar keine Rolle, wenn sie dem Koalitionsfrieden schaden könnten. So kam es, wie es kommen musste: Die Forderungen der Länder nach mehr Schutzmaßnahmen und vor allem mehr Klarheit verhallten.

Speziell die FDP bekommt nun, was sie wollte, aber mit absehbarer Konsequenz: Ein Gesetz, das einen deutlichen Anstieg der Corona-Infektionen und damit verbunden noch massivere Ausfälle an Personal speziell auch in der kritischen Infrastruktur sowie einen noch größeren Anstieg an Klinikeinweisungen zur Folge haben dürfte. Allerdings können sich auch SPD und Grüne hier nicht aus der Verantwortung stehlen, denn auch deren Fraktionen stimmten, trotz im Vorfeld lauter Kritik aus ihren Reihen, für das Gesetz.

 

Auch Mecklenburg-Vorpommern muss nun umsteuern

Auch in Mecklenburg-Vorpommern gilt es daher nun umzusteuern. Schon am Montag dieser Woche hatte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) im Anschluss an eine Kabinettssitzung die Eckpunkte der neuen Corona-Schutzmaßnahmen bekannt gegeben. Zumindest die, die für eine Übergangsphase bis Anfang April gelten sollen. Dabei hatte sie unmissverständlich deutlich gemacht, dass schon dies in der aktuellen Situation kaum ausreichen würde. Man könne, so Drese in Richtung Bundesregierung, eine Pandemie nicht per Gesetz beenden. Daher werde man in Mecklenburg-Vorpommern alle sich bietenden Schutzmöglichkeiten und die Übergangsphase nutzen. Dazu gehöre aus Sicht der Ministerin nach der Kabinettssitzung auch die 3G-Regel in Branchen wie der Gastronomie, bei körpernahen Dienstleistungen, z.B. bei Friseuren, und bei Veranstaltungen – innen wie außen. Selbst den Einsatz der 2G-Regel wolle man sich offen halten. Maskenpflicht in Innenräumen – dort, wo sie möglich sei – ohnehin.

 

Stefanie Drese, Sozialministerin MV | Foto: Ecki Raff, Schwerin

Ministerin und Staatskanzlei-Chefs mit deutlich unterschiedlichen Konzepten

Damit war klar: Mecklenburg-Vorpommerns Strategie setzt auch weiterhin auf eine Palette an Maßnahmen. Zumindest auf die, die das Gesetz des Bundes irgendwie ermöglicht. Dachte man zumindest. Ob Staatskanzleichef Patrick Dahlemann, zur Zeit der Darstellungen Dreses selbst mit einer Corona-Infektion in Quarantäne, diese Pressekonferenz nicht gesehen hatte, bleibt offen. Zumindest schien er die Worte von Stefanie Drese nicht als für sich bindend zu sehen. Denn nach der Bund-Länder-Runde am Donnerstag verkündete er, die Landesregierung wolle sich bei ihrem Schutzkonzept vor allem auf den Mund-Nase-Schutz konzentrieren. Diesen bezeichnete er als das wirksamste Schutz-Mittel. Damit diese Maßnahme landesweit gelten könne, plane man, das gesamte Land zu einem Hotspot zu erklären. Ob dies rechtlich tatsächlich so einfach möglich, also letztlich mit dem neuen  Bundesinfektionsschutzgesetz vereinbar, ist, dürfte sich spätestens dann zeigen, wenn diese Idee möglicherweise vor Gerichten landet.

Auch sprach Dahlemann nicht von einer Situation, die jetzt deutlich mehr Maßnahmen erfordere. Vielmehr sagte er, „wir müssen jetzt an dieser Stelle auch lernen, mit dem Virus umzugehen.“ Man darf gespannt sein, ob er diesen Satz auch so den Kliniken, Feuerwehren und anderen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sagt, wenn diese endgültig aufgrund der Zahl erkranktem Personals kapitulieren. Aber es wäre gegebenenfalls auch nicht das erste Mal, dass sich Dahlemann von einer längst bekannten Situation plötzlich vollkommen überrascht zeigt. Schon nach dem Kriegsbefehl Putins zeigte sich der Staatskanzlei-Chef erstaunt, wozu der russische Präsident fähig sei. „Ich hätte mir niemals vorstellen können, […] was Putin bereit ist zu tun. Was er bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine anzutun“, so Dahlemann – acht Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und nach Jahren brutalen Vorgehens der Separatisten in der Ostukraine gegen die Ukrainerinnen und Ukrainer mit eindeutiger Unterstützung Russlands.

 

Auch Unterschiede beim Schutz von Alten und Kranken

Nicht ganz einig, letztlich aber wie zwei Puzzlestücke verbindbar, scheinen Dahlemann und Drese auch hinsichtlich der Schutzmaßnahmen für Alte und Kranke zu sein. Während die Gesundheitsministerin in dieser Woche den Fokus vor allem auf die stark steigenden Patientenzahlen in den Kliniken des Landes legte, und dabei offenbar sogar Lockerungsbeschlüsse von Bund und Ländern aus dem Februar infrage stellte, setzte Dahlemann am Donnerstag einen anderen Akzent. Er sah das Hauptproblem beim aufgrund von Infektionen fehlenden Personal. Hier liegt seine Forderung in einer Ausweitung der Arbeitsquarantäne. Dabei können auch infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter entsprechenden Schutzmaßnahmen weiterhin arbeiten.

 

Patrick Dahlemann, Chef der Staatskanzlei MV. | Foto: Staatskanzlei MV

Bis 2. April muss sich die Regierung einigen

Nun also gilt es abzuwarten, welchen Kurs die Landesregierung tatsächlich einschlägt. Den des Kabinetts, den Gesundheitsministerin Stefanie Drese am Montag bekanntgab. Oder aber die Linie des Chefs der Staatskanzlei, Patrick Dahlemann, vom vergangenen Donnerstag. Bis zum Donnerstag der nächsten Woche muss man sich zumindest auf eine Linie einigen. Denn dann soll der Landtag entscheiden, was ab dem 2. April gilt. Dann dürfte sich auch zeigen, welche Fraktionen im Landtag – in Regierungsverantwortung wie in der Opposition – auch weiterhin Verantwortung für den Gesundheitsschutz zu übernehmen bereit sind. Auch gegen so manche Strömung im Land.

 

Vorerst weiter steigende Zahlen erwartet

Dass die Diskussion sich schnell durch deutlich sinkende Infektionszahlen in M-V erledigen könnte, dieser Hoffnung erteilte der Rostocker Infektiologe und Berater der Landesregierung Emil Reisinger bereits eine deutliche Absage. Er rechne eher weiterhin mit einem doch deutlichen Anstieg der Zahlen etwa bis April oder Mail. Dann könnten sie auf einem – dann allerdings sehr hohen – Plateau verweilen, ehe sie sinken. Damit spricht Reininger von einem Zeitraum stark steigender und auf einem hohen Niveau verharrender Infektionen, zu dem Patrick Dahlemann, zumindest so seine Aussage vom Donnerstag dieser Woche, nur noch auf die Maskenpflicht setzen will.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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