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Nach wechselvoller Geschichte kehrt Bronzestatue nach Schwerin zurück

Wielands Försters „Großer Schreitender Mann“, einstmals auf dem Waldfriedhof in Schwerin aufgestellt, stand schon kurz vor der Vernichtung, da Parteifunktionäre der DDR ihn lieber einschmelzen als öffentlich präsentieren wollten. Nachdem

  • Veröffentlicht April 27, 2022
Dieses historische Foto entstand bei der Übergabe der Plastik auf dem Waldfriedhof und zeigt Oberbürgermeister Franz Schönbeck (mit Schirm) und Stadtrat Weste. | Foto: K. Winkler

Seit mehr als 50 Jahren ist die Bronzeplastik „Großer Schreitender Mann“ des national wie international berühmten Bildhauers Wieland Förster (*1930) nicht mehr in Schwerin. Die beinahe zwei Meter messende Figur war im Jahr 1970 kurz vor der offiziellen Übergabe der neu errichteten Feierhalle auf dem Schweriner Waldfriedhof in Anwesenheit des Künstlers aufgestellt worden.

Wenige Wochen später besuchte Bernhard Quandt (1903-1999), 1. Sekretär der Bezirksleitung, den Ort und sorgte für die Entfernung des Kunstwerks. Fritz Schwarzer (1938-2016), der damalige stellvertretende Direktor des Staatlichen Museums Schwerin, schrieb in einem Erinnerungsbericht aus dem Jahr 1992 über diese Begebenheit: Genossen Quandt habe Bauarbeiter zu einer Meinungsäußerung zum „Schreitenden“ aufgefordert. Diese hätten die Figur wegen ihres kräftigen Körperbaus und der langen Arme „unseren Gorilla“ genannt.

 

Parteifunktionäre fungierten als „banausenhafte Kunstzerstörer“

Da sich Quandt nun in seiner ablehnenden Haltung bestätigt sah, ordnete er die Demontage an. Die zur Stellungnahme aufgeforderte Kultur-Abteilung der SED-Bezirksleitung nahm das flapsige Urteil der Werktätigen auf: Der dargestellte Mensch erinnere mit seinen über die Knie herabhängenden Armen an einen Urmenschen. Mit den überdimensionierten Muskeln an Armen und Beinen, mit Bauch und naturalistisch gestalteten Fettpolstern bis hin zum Gesichtsausdruck, der gedankenfern und stupide erscheint, stelle die Figur einen Mann dar, der körperlich stark verbraucht sei. So die „Kunstkritik“ der Partei-Funktionäre. „Dies ist nicht typisch für den Menschen unserer Zeit, schon gar nicht für den der kommenden Jahrzehnte. Aus diesen Gründen kann die Aufstellung der Plastik auf dem Waldfriedhof nicht befürwortet werden.“

Damit war das Ende der Bronzeplastik an sich besiegelt. Fritz Schwarzer sowie namenhafte Künstler wie Karlheinz Effenberger (1928-2009), Stefan Thomas (*1932), Jo Jastram (1928-2011) und Otto Niemeyer-Holstein (1896-1984) verhinderten jedoch Schlimmeres. Im Raum stand nun nämlich der Vorschlag des Finanzministers der DDR, die Plastik einschmelzen zu lassen.

 

Großer Schreitender Mann auf dem Gertruden-Friedhof in Güstrow | Foto: Claudia Köhler / SSGK-MV

Künstler retten Kunstwerk – Auszeichnung in Rumänien folgt

Durch den Widerspruch gelang es tatsächlich, anders als bei den damaligen Parteifunktionären üblich, zumindest die Vernichtung der Statue zu verhindern. Dafür verschwand die Plastik für mehrere Jahre aus der Öffentlichkeit. Inzwischen war Fritz Schwarzer zum Museumsdirektor aufgestiegen. Er lieh das Kunstwerk, ohne allerdings eine Genehmigung einzuholen, nach Rumänien, wo sie zu ungeahnten Ehren kam. Eine der Bronzeplastik dort verliehene Goldmedaille ließ die Funktionäre der Schweriner Bezirks- und Parteileitung als das dastehen, was sie waren: „banausenhafte Kunstzerstörer“ (Wieland Förster). Sie handelte, indem sie Fritz Schwarzer mit einem Disziplinarverfahren überzogen und des Amtes enthoben. Das nun zu Ehren gekommene Kunstwerk hingegen kam zurück und fand auf dem Gelände der Gertrudekapelle in Güstrow einen neuen Platz. Bis heute steht sie dort.

 

Kunstwerk soll nun nach Schwerin zurückkehren

Als der Waldfriedhof 2020 sein 50-jähriges Bestehen feierte, verstärkte sich die Idee, die Statue solle doch an ihren ursprünglichen Standort zurückkehren. Das Staatliche Museum, in dessen Zuständigkeitsbereich der „Groß Schreitende Mann“ gehört, signalisierte ebenso wie die Güstrower Barlach-Stiftung Zustimmung. „Die Rückführung der Plastik an den Ort, für den sie ursprünglich vom Künstler geschaffen wurde, ist dem Museum ein wichtiges Anliegen. Damit wird nach über 50 Jahren dem Waldfriedhof wieder ein Stück Authentizität zurückgegeben sowie dem Willen und Wirken des Künstlers Rechnung getragen,“ so Dr. Pirko Zinnow, Direktorin des Staatlichen Museums Schwerin.

Auch der Künstler Wieland Förster begrüßt den Wunsch, den „Großen Schreitenden Mann“ wieder auf seinen ursprünglichen Platz zurückzuholen. Für Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier ist damit klar, dass dem Umzug von Güstrow nach Schwerin nichts mehr im Wege steht. „Mit dem positiven Votum des Staatlichen Museums ist es nun möglich, die vor 50 Jahren geschaffene Leerstelle auf dem Waldfriedhof wieder zu füllen. Dies ist nicht nur eine Genugtuung für den Künstler, sondern auch eine Bereicherung für die Landeshauptstadt“, so Badenschier. Mit der Rückkehr der preisgekrönten Plastik werde das Bauensemble wieder komplementiert und ein neuer Anziehungspunkt für Besucherinnen und Besucher des Friedhofs.

 

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